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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

DOI article:
Gross, Karl: Gestaltungsunterricht und Volkserziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0073

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66

WETTBEWERBE DES DRESDENER KUNSTGEWERBEVEREINS

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Alfons Ungerer-Dresden

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Uhrdcckelgravierungcn. Entwurf u. Ausführung: Wastian jun.-Dresden

□ Aber hierin fehlt bei uns noch so

gut wie alles! Ausnahmen sind sehr selten,
o Bei der herrschenden Unsicherheit

ist zunächst eine genaue Kontrolle des
gebräuchlichen Vorlagenmaterials die erste
Bedingung. Es tut einem in der Seele
weh, sehen zu müssen, wie bei allem
guten Willen durch ein geschmackloses
Vorlagenmaterial ein ganzes Heer von
Lehrlingen und Gehilfen auf Abwege gerät,
während sie anderseits einem gesicherten
Empfinden zugeführt werden könnten. Es
handelt sich hier nicht nur um Vorlagen-
werke, welche Modernes bringen wollen,
sondern auch um solche, die alte Stile
mißhandeln. Sollte es dem »Verband
deutscher Kunstgewerbevereine« gelingen,
die von ihm geplanten illustrierten Flug-
blätter herauszubringen, so würde damit
auch ein unschätzbares Vorlagenmaterial
für Fachschulen gewonnen sein. n

n Im Lehrplan der gewerblichen

Schulen steht oft die Vorschrift: »Zeichnen
nach Naturmotiven und Stilisieren der-
selben«. Ja, wenn dies so einfach wäre!
Aber zwischen der Naturform und der
Stilform liegt noch ein ungeheures Er-
fahrungsgebiet, das bisher in den Lehr-
plänen fehlte und die Mißerfolge im Stili-
sieren erklärlich macht. Dieses Erfahrungs-
gebiet heißt: »Das Gefü/il für dekorative
Wirkungen/« a

d Die Menschheit hat Jahrhunderte

und Jahrtausende daran gearbeitet, die
verschiedenen Harmonien dekorativen Ge-
staltens in steter praktischer Erfahrung aus-
zubilden. Den verschiedenen Zusammen-
klang dieser Harmonien nennen wir »Stile«.
n Und heute, heute verlangt man von

jedem »Lehrling«, daß er von der Natur
einen neuen Stil ableitet! Die Londoner
Unterrichtsausstellung, wie die ganze mo-
derne Bewegung ist ein großes Beispiel
dafür, daß wir unser dekoratives Empfin-
den an den besten Errungenschaften von
Jahrtausenden kräftigen müssen, wenn wir
nicht alle praktischen und prinzipiellen
Erfahrungen im Entwerfen ganz von vorne
an wieder selbst durchleben wollen. o
n Durchleben sollen wir allerdings

diese Erfahrungen und zwar an den Bei-
spielen der geschichtlichen Entwicklung;
aber nicht in dem Sinne wie bisher, daß
Äußerliches nachgeahmt wird, sondern da-
durch, daß wir die Schönheit und Har-
monie dieser dekorativen Wirkungen inner-
lich fühlen und eine Harmonie unserer
Zeit darauf aufzubauen suchen. a

Wie diese Lehre der dekorativen
Wirkungen aufzubauen wäre, habe ich ver-
sucht in den Fortbildungskursen anzu-
 
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