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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Pelka, Otto: Die Ausstellung von neuartigen Entwürfen für Innendekoration in dem Leipziger Kunstgewerbe-Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0078

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WETTBEWERBE DER LEIPZIGER GEWERBEKOMMISSION

m

n Darin, und das ist für die endgültige Beurteilung der Klagen
wichtig, widersprechen sich also die yrteile der Sachverständigen.
In einem Punkte dagegen herrscht auf beiden Seiten Überein-
stimmung. Von beiden Stellen wird der Großindustrie und dem von
ihr genährten Warenhausunisatz eine ganz besondere Schuld an dem
abnehmenden Verdienste der Tapeziere, Dekorateure und Posamen-
tiere beigemessen. Eine gleich schwere wirtschaftliche Schädigung,
die nicht auf von außen wirkende Faktoren zurückgeht, erfahren
diese Gewerbe — und hier wäre wohl leichter Abhilfe zu schaffen —
von den Tischlern. Das Dresdener Gutachten berichtet darüber:
»Endlich ist uns auch berichtet worden, daß der Schaden, der den
Tapezieren infolge der neuen Geschmacksrichtung entsteht, nicht so
groß ist, wieder, welcher ihnen verschiedentlich durch Tischler ohne
handwerksmäßige Ausbildung im Tapeziergewerbe zugefügt wird;
diese raten ihren Auftraggebern, die bei ihnen Holzmöbel bestellen,
von der Anschaffung von Polstermöbeln soviel wie möglich ab und
übernehmen die Anfertigung der unumgänglich notwendigen Polster-
möbel dann gewöhnlich selbst unter dem Vorwande, daß sonst die
Einheitlichkeit nicht gewahrt werde. Die Tapeziere erhalten dann

erst durch die Tischler











,4 3

f.







*

















1

Sessel von Rudolf und Fia Wille-Berlin

ihre Arbeit zu niedrigen
Preisen.« D

n Der in Leipzig nach-
drücklich ausgesprochene
Vorwurf gegen die neue
Richtung in der Innende-
koration hat, sowenig er
für die Tapeziere, Dekora-
teure und Posamentiere zutrifft, eine Berechtigung im Hinblick auf das Drechsler-
gewerbe und die Holzbildhauerei, sowie das Stukkateurgewerbe. Wenngleich
auch in Leipzig und Dresden von den Vertretern dieser Gewerbe die Ursache
für die verringerte Nachfrage nicht als allein in der Vorliebe der modernen Archi-
tekten für Vereinfachung der Dekorationsformen beruhend angesehen wurde,
o Die tiefere Ursache für alle diese Klagen, und das ist mit Bestimmtheit
allen Verdächtigungen der modernen Richtung gegenüber festzuhalten, liegt
zum allergrößten Teile in den Gewerben selbst. Die stolzen Zeiten sind vor-
über, in denen der Handwerksmeister nicht einen Schritt aus seiner Werkstatt
zu gehen brauchte, um Aufträge zu bekommen. Die Konkurrenz durch Uber-
l'üllung der Berufe selbst und durch Massenproduktionen der Industrie ist ins
Ungemessene gestiegen. Und es läßt sich noch nicht annähernd übersehen,
ob wir den Höhepunkt der Aufwärtsbewegung im Kampfe der handwerklichen
und industriellen Konkurrenz erreicht haben. Das eine läßt sich aber jetzt
schon konstatieren. Will sich das Handwerk allen Angriffen der Industrie
gewachsen zeigen, so ist zur Erreichung dieses im Interesse des Hand-
werkes wünschenswerten Zieles in erster Linie eine umfassende technische
Ausbildung des Nachwuchses die vornehmste Forderung. Erst wenn die Lehr-
linge nicht mehr zu jugendlichen Arbeitern herabgewürdigt werden, wenn
sie imstande sind, nach Vollendung ihrer Lehrzeit den künstlerischen Forde-
rungen des Tages in ihrer Arbeitsleistung gerecht zu werden, und sich von
professionellen Musterzeichnern aller Art unabhängig gemacht haben, erst dann
wird das Handwerk wieder goldenen Boden unter die Füße bekommen. So
gut wie in der politischen Geschichte gibt es im Handwerk und Kunstgewerbe
auf- und absteigende Entwickelungsperioden, in denen die wirtschaftliche
Stabilität der einzelnen Erwerbszweige Schwankungen ausgesetzt ist. o

o Die Klagen über den wirtschaftlichen Rückgang in den bezeichneten
Gewerben sind also, wie man sieht, nicht müßiges Gerede. Und es war
den beteiligten Instanzen, wie aus der oben erwähnten Regierungsverordnung
ersichtlich ist, auch darum zu tun, für eine nachhaltige Besserung und Hebung
der wirtschaftlichen Lage der Klageführenden die Mittel ausfindig zu machen.
Die Gewerbekammer in Dresden empfahl den Staats- und städtischen Be-
hörden sowie den Künstlern, einer allzu großen Schädigung des Handwerks
dadurch vorzubeugen, »daß sie bei der Vergebung und Ausführung ihrer Arbeiten
mehr als bisher den redlichen und tüchtigen Handwerker berücksichtigen«.
In ähnlicher Weise faßt das Protokoll über die Sitzung des Leipziger Ge-
werbeausschusses das Ergebnis der dort gemachten Vorschläge zusammen,
indem es als Mittel zur Abhilfe das Zusammenwirken von Künstlern, Architekten
und den beteiligten Gewerbetreibenden empfiehlt, sowie Vornahme von Aus-
stellungen und Vorführungen von Neuheiten zunächst in beschränkter Weise.
 
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