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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

DOI Artikel:
Seliger, Max: Zur Frage unserer deutschen Künstler-Fachschulen Anno 1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0096

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DIE PFORZHEIMER SCHMUCK-INDUSTRIE



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wo naturgemäß Luxus am ehesten erwartet werden
kann. Auch im sächischen Vogtlande könnten die
bildmäßigen und farbigen Textilien, der Wandgobelin
und Fußteppich, und die feinen Nähtechniken (Kunst-
stickerei und bezügliches Entwerfen) bei den vorhan-
denen Textilschulen als Oberstufe angegliedert werden.
Die bestehenden Webeschulen und Musterzeichen-
schulen würden von diesem Teile der Kunst nur be-
fruchtet werden und jener Oberteil des Unterrichtes
würde wiederum durch die Nähe der anderen dring-
licheren Techniken auch belebt und geführt werden, □
a Die ganze Metalltechnik in Modellerschaffung und
Ausführungstechniken (Modellieren, Gießen, Treiben,
Schmieden, Ziselieren, Patinieren usw.) könnte zu-
sammenfassend an einem Orte für die Lehre organi-
siertwerden. Dabei würde wahrscheinlich viel anregender
und genauer, also qualitätvoller unterrichtet werden
können, besonders wenn man die einfachste Nutzform
bis zur luxuriösen Kunstform bearbeiten würde. □
□ Ebenso denkbar wäre eine Konzentration der Lehre
der Holzbearbeitung oder der mineralischen und kera-
mischen Techniken (Ton, Glas, Porzellan, Steinzeug,
Email, Glasmosaik, Marmor- und Ziegelintarsia an
senkrechten und horizontalen Flächen usw.). □

a Jede Kunstgewerbeschule und womöglich auch
Kunstschule aber sollte eine bestimmte Note Arbeit
besonders betonen und auf einem Gebiete streben,
besondere Stärke zu entfalten. Dahin dürfte sich
wohl jedes Schulsystem ohne Schwierigkeiten all-
mählich ausbauen lassen. So
würden die Schulen gegenein-
ander mehr Charakter erhalten
und in der Gesamtheit dem
deutschen Volke mehr leisten.
In den Kompositionsklassen der
Malerakademien sollte auch die
Gestaltung der farbigen durch-
sichtigen (Fenster) und undurch-
sichtigen Wand (Mauer), eine
direkte angewandte Malerei mehr
geübt werden. Leider sehen wir
diese Stellen so gut wie gar nicht
im Zusammenwirken mit den
Architekturklassen der
Hochschulen,sondern sie
komponieren nur noch
für die Bildermärkte und
unorganisiert für die
Presse (Buch, Papier). ■>
o Es ist auch bedauer-
lich, daß immer noch
die Maler und Plasfiker
nicht mehr zur direkten
Malerei und Plastik für
die Wand und das Haus
durch obligatorische Er-
gänzungsbildung in der
Formensprache des Ar-
chitekten und so zum
befähigteren Mitarbeiter
mit ihm erzogen werden,

Kunslgcwerbeblall. N. F. XX. II.

und umgekehrt, daß im Architekten zu wenig der
Sinn für harmonische und edlere Raumpolychromie
ausgebildet wird. Dadurch gehen der Nation wert-
volle, talentvolle Kräfte für die harmonische Gestaltung
unseres Hauses verloren. °

n Die Schulen könnten in ihren Klassen sich selbst
und sich gegenseitig in die Hände arbeiten, die einen
mit Vorbildung, die anderen mit Abschluß- oder
Spezialbildung, die einen mit Entwürfen, die anderen,
die eingerichtete Werkstätten haben, mit Ausführungen, n
u In Hamburg, Kiel oder Danzig sollte wohl eher
Marineklasse der Malerakademien sein als in Berlin.
Manche Vorschulklassen oder Meisterateliers könnten
vielleicht verringert, andere verwandtere zusammengelegt
und vermehrt werden, um bestimmte Gebiete stärker
und organischer pflegen zu können. Unter den Grün-
den, die mich bewegen, einer stärkeren Ausprägung
unserer Kunst-, Kunstgewerbe- und Gewerbeschulen
in der Richtung einer oder einiger verwandter Spe-
zialitäten das Wort zu reden, ist ein hervorragender
der, daß es dann leichter ist, die Lehre feiner zu
gliedern und die einzelnen Glieder besser zu ent-
wickeln, weil sie in günstigere Verhältnisse kommen.
Wenn eine Schule 20 Klassen des ganzen kunst-
gewerblichen Gebietes der Welt in etwa 10 Spezial-
fächern nebeneinander pflegt und einen Etat von
20000 Mk. hat, so bekommt jede Klasse für Werkzeug,
Maschinen und andere Lehrmittel 1000 Mk. und jedes
Gebiet 2000 Mk. Dann kommt für die Vertiefung
der Lehre überhaupt nicht viel
heraus und der Fortschritt ist
sehr unterbunden. Hat sie über-
haupt nur 2 Spezialgebiete zu
beackern, und für jedes 10 Klas-
sen, so kommt von demselben
Etat zwar auf die einzelne Klasse
nur 1000 Mk., aber auf jedes
Spezialgebiet doch schon allein
10000 M. Hat die Schule aber
für ein Gebiet die ganzen 20000
Mk. und dabei ihre Lehre in 10
Klassen gegliedert, so erhält jede
Klasse jährlich 2000 Mk. zu
Anschaffungen für den
Unterricht und die Ge-
samtspezialität also 20000
Mk. Darin liegt ein nicht
zu unterschätzender Vor-
teil eines spezialisieren-
den Unterrichtes. In dieser
größeren Ausstattung mit
Mitteln einerseits und an-
dererseits in der durch
die nachbarlichen Anre-
gungen verwandter oder
ähnlicher Arbeitsweise
und Arbeitsziele und in
der Verkleinerung des
Arbeitspensums liegt
auch die Möglichkeit für
die Lehrer, noch tiefer

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