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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0127

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU







Suchsziffern und Etatsbeträge der verschiedenen Anstalten.
Vortreffliche Einführungen in den Charakter und die
Lehrziele der verschiedenen Schularten bieten die ein-
schlägigen ministeriellen Erlasse, Bestimmungen über
die Befugnisse der Schulkörperschaften (Kuratorien) wie
auch Dienstanweisungen für Schulleiter und Lehrpersonen.
Der zweite Bericht ist bereits der eigentliche Arbeits-
bericht des Landesgewerbeamtes, dessen neuer und
frischer Geist von jetzigen und zukünftigen Dingen spricht,
mit Tatsachen rechnet und nicht zuletzt wieder an der
Hand eines vorzüglichen statistischen Materials nachweist,
in welchem Umfange den Anforderungen an die Aus-
bildung des gewerbe- und kunsttechnischen Nachwuchses
Rechnung getragen wird. Die für das gewerbliche Bil-
dungswesen aufgewandten Mittel von über 5 Millionen
im Jahre 1904 sind auf über 11 Millionen im Jahre 1907
gestiegen. Es ist hochinteressant bei den Kapiteln der
einzelnen Schulen, die beiden Berichte nebeneinander zu
benutzen, weil sie in so manchen Dingen wechselweise
wertvolle Aufschlüsse geben über Entwickelungsphasen,
deren Orundzüge neu scheinen — und die doch schon
weit über 100 Jahre alt sind. Man denke nur über die
zeitlichen Auslegungen des Wertes unserer Kunstakademie
und Kunstgewerbeschulen nach und lese dann die fast
»moderne« Auffassung in den Instruktionen nach, die Kur-
fürst Friedrich III., später König Friedrich I., für die neu-
gegründete Akademie Berlin gab. Es heißt da im ersten
Berichte, Seite 88: Der Direktor der Kunstakademie solle
über alle Kunstarbeit in den königlichen Gebäuden und
über alle Betriebe, welche Kunstarbeit für diese lieferten,
die Direktion haben »und die Handwerker mit Rat und
Tat, mit Zeichnungen, Mustern und Skizzen unterstützen«.
Im Lehrprogramm der Akademie treten von Anbeginn die
Fächer der Architektur, Geometrie und Perspektive auf,
wobei zu bemerken ist, daß die architektonischen Ord-
nungen damals auch als Grundlage jedes handwerklichen (!)
Zeichnens betrachtet wurden. Nach dem Zeugnis der Zeit
hatte das Wirken der Akademie einen günstigen Einfluß
auf die Handwerke und den allgemeinen Kunstfleiß. Ohne
Zweifel war die damalige Verfassung der Akademie auf
die Bedürfnisse der Zeit zugeschnitten. Und was die Be-
dürfnisfrage in der Neugründung von Schulen kunstgewerb-
lichen und handwerklichen Charakters angeht, die, nebenbei
gesagt, auf alle im öffentlichen Leben wirkenden Institute
erhaltend wie auch vernichtend zu wirken vermag, so kann
man dafür den sehr vernünftigen Satz von Seite 134 des
zweiten Berichtes sehr wohl unterschreiben. Er lautet:
»Als sicherster Weg, Fehlgriffe zu vermeiden, ergibt sich
aber gerade bei einem so sehr im Flusse befindlichen Ge-
biete wie dem des gewerblichen Schulwesens der Grund-
satz, stets der sich selbst bahnenden Entwickelung zu
folgen«. Wir wissen nun aber aus dem rapiden Leben
der Gegenwart heraus, daß die Zivilisation schneller als
die Kultur arbeilet, und daß demgemäß auch das Jahr 1884
als ein besonders bedeutungsvolles für das gesamte gewerb-
liche Schulwesen Preußens angesehen werden muß, weil
dieses von diesem Zeitpunkte ab nicht mehr dem Kultus-
ministerium, sondern dem Ministerium für Handel und
Gewerbe unterstellt wurde. Der wichtigste Faktor im Leben
ist überall, und das nicht nur in rein wirtschaftlichem Sinne,
eine gesunde Befriedigung von Angebot und Nachfrage.
Wir brauchen nur bis zur Weltausstellung London 1851
zurückzugehen, um zu erkennen, wie eigenartig ein Ent-
wickelungsweg zu verlaufen vermag. Man lese gerade
daraufhin die vortrefflichen Ausführungen, beginnend
Seite 101 des ersten Berichtes unter C. Die neuere Ent-
wickelung des kunstgewerblichen Gedankens und deren
Einfluß auf die Schulen! Tatsache ist wieder, daß davon

nicht nur, wie es den Schein hätte, die Kunstgewerbe-
und Handwerkerschulen mit ihren Lehrwerkstätten, sondern
auch die Baugewerkschulen fühlbar und segenbringend be-
einflußt worden sind.

Wenn je die Meinungen darüber auseinandergingen,
wer die technischen Schulen und verwandten Anstalten zu
gründen, zu unterhalten und zu fördern habe, so kann man
an der Hand der Verwaltungsberichte des Landesgewerbe-
amtes wohl nur wünschen, daß das in allen Fällen der
Staat tun möchte. In dieser Auffassung wird man nicht
zuletzt durch die vortreffliche Organisation der Baugewerk-
schulen, der verschiedenen Gruppen von niederen und
höheren Maschinenbauschulen bestärkt, die nunmehr ihre
einheitlichen Lehrpläne, Aufnahmebestimmungen und Prü-
fungsordnungen wie auch Besoldungssätze haben. Wenn
demgegenüber die Kunstgewerbeschulen eine etwas freiere
und beweglichere Organisation haben, so ist das wiederum
dankbar anzuerkennen, weil eben der Geist in diesen
Schulen ein ganz anderer ist und auch sein muß; das
bringt ihre enge Beziehung zur mehr schöpferischen Eigen-
art der Künste so mit sich.

Befassen sich die Berichte im weitaus größten Teile
mit der Verfassung und Wirksamkeit der genannten Schul-
gruppen, zu denen auch die Fortbildungsschulen für die
männliche Jugend, die Gewerbeschulen usw. für Mädchen,
die Handels- und Handelshochschulen gehören, so ist doch
auch jenen dankenswerten Einrichtungen und Veranstal-
tungen erschöpfend Erwähnung getan, die die eigentliche
Gewerbeförderung im weiteren Sinne umfassen. Zu diesen
zählen die Gewerbeförderungsanstalten mit ihren Aus-
stellungshallen und die Meisterkurse, welch' letztere na-
mentlich zu einer ständigen Einrichtung in allen Provinzen
geworden sind, und deren Erfolge bereits sichtbare Spuren
zeitigen. Man gewinnt selbst bei kritischer Nachprüfung
der beiden Verwaltungsberichte die wohltuende Über-
zeugung, daß doch auch in Preußen eine großzügige und
tiefgründende Arbeit mit allerbesten Kräften und reich-
lichen Mitteln zugunsten des Handwerkes und seines Nach-
wuchses geleistet wird und daß Preußen dafür Muster-
einrichtungen und Musteranstalten geschaffen hat, die so
wenig im übrigen Deutschland wie im Auslande in ver-
wandten Maßnahmen übertroffen werden. Zum andern
kann man wohl schon heute feststellen, daß die Institution
des Königlich Preußischen Landesgewerbeamtes sich bestens
bewährt hat und sich allen, auch den größten Aufgaben
eines nach Entwickelung strebenden modernen Staates
vollauf gewachsen zeigen wird. Dem dritten Berichte, der
1910 fällig werden dürfte, sieht man daher mit berechtigtem
Interesse entgegen. Der dafür noch weit hinausstehende
Zeittermin gibt Anlaß, hier einer Anregung Raum zu geben,
deren Verwirklichung für die weitesten Kreise von Belang
sein würde. Gemeint ist die Angliederung einer amtlichen
Liste mit namentlicher Aufführung aller Mitglieder der zu
den Schulen und anderen technischen Einrichtungen, die
dem Landesgewerbeamte unterstellt sind, gehörende Körper-
schaften, Kuratorien, Schulleiter, Lehrerkollegien und an-
deren Beamten mit den nötigen Berufs- und Funktions-
angaben, Dienstalter usw. Es fehlt tatsächlich an solchem
amtlichen Ausweis, dessen Zustandekommen, schon der
Vollständigkeit wegen, nicht privater Initiative oder einem
Verein überlassen werden sollte. — Nach allem scheinen
mir die beiden Verwaltungsberichte des Königlich Preußi-
schen Landesgewerbeamtes so wertvoll, daß sie nicht nur
von Schulmännern, Innungen und Handwerkskammern ein-
gehend zur Kenntnis genommen werden sollten, sondern
von jedem, der in verantwortlicher Stellung im Gewerbe-
leben steht, gelesen werden müßten. ö

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwaq, Berlin-Zehlendorf
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig — Druck von Ernst Hedrich Nachf., g. m. b. h. in Leipzig
 
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