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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Pudor, Heinrich: Imitationen: Ein Beitrag zu dem Thema "Treu und Glauben in Produktion und Handel"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0194

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IMITATIONEN $ TREU UND GLAUBEN



187





Fälschung und Verfälschung auch, wenn sie deklariert ist,
und sobald sie darauf ausgeht, der künstlich hergestellten
oder künstlich verschönten Ware das Ansehen der Original-
ware zu geben und letztere durch erslere zu verdrängen.
Aus diesem Grunde eben und zugleich, um den Produ-
zenten der Originalware zu schützen, ist es wünschenswert,
gewisse Deklarationsbezeichnungen, die an dem betreffenden
Gegenstand ohne weiteres ersichtlich sind, einzuführen,
also stempelmäßige Zeichen, wie wir sie in der Edel-
metallindustrie z. T. schon haben. Auch in der letzteren
aber besitzen wir für Schmucksachen aus Gold und Silber
noch kein vom Bundesrat bestimmtes Stempelzeichen. Das
Gesetz bestimmt lediglich (§ 5, Reichsgesetz vom 16. Juli
1884, gültig ab 1. Januar 1888), daß Schmucksachen von
Gold und Silber in jedem Feingehalt gestempelt werden
dürfen und daß in diesem Falle der letztere in Tausend-
teilen anzugeben ist. Es muß daher angestrebt werden,
daß diese Lücke des Gesetzes ausgefüllt wird und die
stempelmäßige Deklaration der Höhe des Feingehaltes
einer Schmucksache, so gut als eines Gerätes zur Pflicht
gemacht, auch ein bestimmtes Stempelzeichen eingeführt
wird. Eine weitere Frage ist alsdann, ob es wünschens-
wert ist, daß Gold- und Silberwaren, wie § 1 lautet, zu
jedem Feingehalt angefertigt und als solche tituliert und
feilgehalten werden dürfen, anstatt daß eine untere Grenze
für diesen Feingehalt festgesetzt wird. Bezüglich goldener
und silberner Geräte bestimmt das Gesetz dann weiter in
§ 3, daß die Angabe des Feingehaltes auf goldenen und
silbernen Geräten nur durch ein
Stempelzeichen geschehen soll, wel-
ches die Zahl der Tausendteile und
die Firma des Geschäfts, für welches

die Stempelung bewirkt ist, kenntlich SJ _M 1 E!f. gö^LS
macht. Das Stempelzeichen besteht
in der Reichskrone und dem Sonnen-
zeichen bei goldenen, und dem Mond-
zeichen bei silbernen Geräten. Auf
diesem Gebiete ist also die Material-
kontrolle mittels Stempelung schon
gesetzlich durchgeführt, wenn auch
die Festsetzung einer unteren Grenze
für den Feingehalt auch hier nicht
gemacht ist. Das ganze Gesetz scheint
auch mehr zu dem Zweck erlassen
zu sein, zu kontrollieren, ob der
wirkliche Feingehalt einer Gold- oder
Silberware dem angegebenen Fein-
gehalt möglichst nahe kommt. □
□ Machtlos aber ist das Gesetz
der Imitationsindustrie gegenüber.
Es bestimmt zwar, daß, wer Waren
feilhält, welche mit einer gegen die
Bestimmungen dieses Gesetzes ver-
stoßenden Bezeichnung versehen
sind, mit Geldstrafe bis zu 1000 M.
oder' mit Gefängnis bis zu sechs
Monaten bestraft wird. Aber es ver-
bietet nicht, daß jemand, ohne die
Feingehaltsstempel zu benutzen,
Waren aus Unedelmetali das Ansehen
von Edelmetall gibt. Es bestimmt
nicht, wie hoch bei einer Vergoldung
oder Versilberung der Edelmetallge-
haltsein muß, welche Arten von Legie-
rungen zuzulassen sind, und welche
nicht. Es liefert also die Edelmelall-
produktion der Konkurrenz mit der
Imitationsproduktion machtlos aus.

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n Und so auf allen Gebieten des Kunstgewerbes und
der Kunstindustrie. Das neue Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb hat leider diesen wichtigsten Schutz der ehr-
lichen Produktion, der anständigen Produktion, der reellen
und soliden Produktion und ditto Gewerbe, Verkehr und
Handel nicht ausgesprochen, und die Beratungen in der
Reichstagssitzung vom 25. Januar 1909 haben sich mit
diesem Gegenstand überhaupt so gut wie gar nicht be-
faßt. Dagegen machte einer der Redner, der Reichstags-
abgeordnete Dr. Giese, den bemerkenswerten Vorschlag,
einen Unterlassungsbefehl der Industrie gegenüber einzu-
führen, derart, daß das Gericht etwa auf Antrag eines
Materialprüfungsamtes, eines öffentlichen Laboratoriums
oder des deutschen Materialverbandes den Befehl ergehen
lassen kann, daß einem unlauteren Wettbewerber eine un-
lautere Handlung, also in unserem Falle die das solide
Gewerbe schädigende Produktion einer Imitationsware oder
eines Imitationsstoffes verboten wird bei einer ganz kurzen
Widerspruchsfrist. Ebenso müßte natürlich auch der Im-
port derartiger Waren entweder ganz verboten oder mit
hohen Zöllen belegt werden. Auch Konsumentenliguen,
deren es besonders in Amerika bedeutende1) gibt, und
Käufervereinigungen könnten nach dieser Richtung viel Gutes
wirken, wenn auch erfahrungsgemäß von Vereinen in
Deutschland auch in dieser Richtung nicht viel Energie er-
wartet werden kann. Dagegen würde die Organisation
der Verkäufer, d. h. der Angestellten in den Verkaufsge-
schäften bei dem Verkehr mit dem Publikum in der in
Frage stehenden Richtung viel Gutes
erzielen können. Wir erwähnen hier,
daß die erste Jahresversammlung des
Deutschen Werkbundes den Vorstand
desselben aufforderte, die Maßnah-
men zur Verbreitung guter Arbeit im
kaufenden Publikum weiter auszu-
bauen, besonders durch Einrichtung
örtlicher Auskunftsstellen für das
kaufende Publikum, und daß ferner
das Landesgewerbemuseum in Stutt-
gart im kommenden Winter Vorträge
für Verkäufer und Verkäuferinnen
veranstalten wird. o

a Doch das sind alles nur kleine
Mittelchen, die das Übel nicht an
der Wurzel fassen. Vor allem muß
eine öffentliche Kontrolle, eine Ma-
terialkontrolle eingeführt werden,wie
wir sie im Baufach und in der Nah-
rungsmittelbranche bereits besitzen.
Es muß ein Materialbuch der deut-
schen Industrie ausgearbeitet werden,
welches die Zusammensetzungen
der einzelnen Materiale festlegt, und
auf Grund dieses Materialbuches
müssen alsdann von Reichswegen
stempelmäßige Zeichen, Gesetze und
Verbote erlassen und eingeführt
werden. Auf dieser Grundlage allein
können wir es zu einer Industrie
bringen, die vermöge ihrer Solidität,
Reellität, Qualität, auf deutsch Ge-
diegenheit und Güte, die Konkurrenz
auf dem Weltmarkt hinter sich läßt.
Verfasser dieses hat es unternommen,

Entwurf von Franz Seeck, Paul Schultze-Naumburg u.
Ausführung von Paul Engel f

1) Vergi. »Konsumentenliguen«
von L. Katscher im Zeitgeist ,
18. April 1909.
 
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