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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Schmidt, P. F.: Buchkunst und ihre Kulturentwickelung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0226

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R. Grimni-Sachseiibery;

Vignette

Schöffer gedruckt (im Besitz des Museums). Der Zu-
sammenhang der frühesten Drucke mit diesen Manuskripten
tritt auffällig hervor: Pergament, Letternform, handgemalte
Initialen und Miniaturen und die Form der um den Text
herumgelegten Glossarien beweist nachdrücklich die Ab-
sicht, mit den ersten Drucken Handschriften nachzuahmen.
Von solchen sind einige prachtvolle Frühdrucke von Peter
Schöffer in Mainz ausgestellt: Hieronymus Epistolae et
tractatus, 1470, und Augustinus De civitate dei, 1473 ge-
druckt; aus der berühmten Offizin des Nie. Jenson in
Venedig ein Codex Justinianeus, der völlig wie im Manu-
skript wirkt. - Die Inkunabeln auf Papier zeigen dann
den Weg zur selbständigeren Durchbildung des Druckwerkes;
die Verteilung des Satzspiegels auf den meist sehr großen
Seifen und vor allem die Anwendung des Holzschnittes
für Initialen und Illustration (die sogen. Blockbücher) führen
zu einem Stil von anders gearteter Struktur. Hier wären
namentlich ein vorzügliches Exemplar der >Ars moriendi«,
etwa 1473, ein schöner Druck von Vincentius Ferrerus
Tractatus de interiori nomine, 1493 bei Moritz Brandis in
Magdeburg erschienen, und eine Erstauflage von Seb.
Brants Stultifera navis, Basel, bei J. Bergmann De Olpe
1497, zu erwähnen. □

o Alle diese und eine weitere Anzahl kostbarer Früh-
drucke sind Eigentum des Magdeburger Domgymnasiums,
dessen Schätze entgegenkommend dem Museum zur Aus-
stellungüberlassen wurden; die Gefahr, daß sie von Magde-
burg fort und in die Magazine der Königl. Bibliothek in
Berlin kämen, scheint damit glücklich beseitigt zu sein.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Bücher, die selbst-
verständlich jederzeit zur Benutzung herausgegeben werden,
in der Form einer derartig anregenden Ausstellung der
Öffentlichkeit weit bessere Dienste leisten, als wenn sie in
Berlin nur auf Verlangen für wissenschaftliche Forschung
unter Vorsichtsmaßregeln das Dunkel ihrer Gestelle ver-
ließen, a
a Mit dem 16.Jahrhundert beginnt dann der reich fließende
Strom der Bücherproduktion, die ein Erwähnen einzelner
Werke an dieser Stelle erspart, weil sie, zwar immer köst-
lich und ersten Ranges, doch nicht mehr im einzelnen das
kunstgeschichtliche Interesse beanspruchen können wie die
Frühwerke. Die Bücher werden kleiner; die Riesenformate
des 15. Jahrhunderts mit ihren mächtigen Ledereinbänden
und Metallbeschlägen weichen einem handlichen Format.
Der Gebrauch der Holzschnittillustration wird allgemein,
und Künstler ersten Ranges beteiligen sich an ihr. Schon
beginnen die profanen Bücher zu überwiegen, naturwissen-

schaftliche Illustrationswerke nehmen einen beträchtlichen
Raum ein neben den Streitschriften Luthers und seiner
Feinde. Für den Einband wird Italien und der von ihm
verarbeitete Einfluß des Orients maßgebend; Blind- und
Goldpressung auf Leder, mit Betonung der Mitte und
Ecken, herrscht vor. D

n Das 17. Jahrhundert bevorzugt wieder sehr große und
daneben ganz kleine Formate, gemäß dem kontrastreichen
Kunstcharakter des Barocks. Der Maßstab wird monu-
mental, die Gesinnung in Entwurf und Ornament pomp-
haft; namentlich machen sich die starke Verwendung des
Kupferstichs zu Dekoration und Illustration und die reichen,
oft spitzenartigen Goldmuster des Ledereinbandes bemerkbar.

n Im 18. Jahrhundert fühlt man sich erst bei dem mitt-
leren Format wohl, wohler noch beim kleinen und klein-
sten. Die Kupferstichillustration blüht, fast jedes Buch
enthält die zierlichsten Kupfer; der Name Chodowiecki be-
zeichnet hier das Programm. Die Schrift neigt mehr und
mehr zum Einfachen, und ebenso der Einband, der Farbig-
keit bevorzugt; entweder in Leder oder in Buntpapier, das
in Gestalt von buntgemusterten Vorsatzpapieren auch in
das Innere eindringt. °

d Diese bürgerlich-schlichte Weise wird auch noch im
Anfang des 19.Jahrhunderts fortgesetzt. Bald aber kommt
die Romantik in äußerer Form und in der Gesinnung; die
Stilnachahmung jeglicher Art macht sich breit. Dabei geht
das Gefühl für das Flächenhafte der Seite und des Ein-
bandes völlig verloren und macht schließlich einem wahl-
losen oder malerischen Naturalismus Platz. Auch die
besten Künstler, die sich der Illustration widmen: Gavarni,
Menzel, Richter, Schwind usw., schaffen Illustrationen ohne
buchkünstlerischen Charakter, obwohl sie gerade wieder
die Kunst des Holzschnittes beleben. Das ändert sich erst
mit dem Ende des Jahrhunderts. Die Reform des Buches
geht von England aus, wo namentlich Morris und W.
Crane die Schönheit der Fläche entdecken. In Deutsch-
land ist Klingers Amor und Psyche (1880) das erste und
lange Zeit einzige Buch, das die Seite und die Dekoration
streng abgrenzt. Dann folgen Pan und Jugend, bahn-
brechend für die moderne Illustration; und endlich, seit
dem Beginn des neuen Jahrhunderts, die immer wach-
sende Reihe von Künstlern, die dem Wesen der Buchaus-
stattung durch Verfeinerung und Vereinfachung immer
näher kommen, und die von Sattler und Lechter bis zu
Weiß, Tiemann und Czeschka in bezeichnenden Arbeiten
vertreten sind. p. f. SCHMIDT.

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