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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1901)
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A., ...: Alt und neu
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0013

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selten, auf eine davon kommen hundert Vermittlungen. Aber was da
vermittelt, das gleicht zumeist nicht ans, sondern es mengt nur durch-
einander. Und der Tendenz nach liegt's wirklich so: in uns allen
lebt jener unbewußte Trieb, alt und ncu mit gut und schlecht zu be-
werten oder umgekehrt. Unsere polemische Literatur zeugt ja täglich da-
von. Da kommen Streitschriften daher, die rufen vor allem Modernen:
„Feurio, es brennt!", und doch ist's nur der Wicderschein ihrer heißen
Liebe zum Alten, was ihnen das Neue so schreckhaft malt. Oder cs
kommen Bücher, auch gelehrte und selbst gelahrte, die schwierig zu lesen
sind, und beweisen: dieses war noch niemals da, also ist's nen — und
nur der Schluß schcint ihnen gar keines Beweises zn bedürfen: also ist
es auch gut. Nämlich: das Gesühl, daß alt oder ncu auch besser
sei, sitzt ihnen als verwirrender Schalk im Nacken und slüstert ihnen,
auch ohne daß sie's merken, ins Urteil hincin.

Könnte man schlechthin sagen: dieses Gefühl ist ein schlimmer
Schalk, so läge die Sache verhältnißmäßig noch einfach. Was die Frage
erschwert, ist aber, daß der Trieb, alt und neu ohne Weiteres mit gut
und schlecht zu bcwerten, entschieden auch wieder seine Vorteile hat. Wir
selbst haben mehrmals das Sprüchel zitiert: „was ihr niemals über-
schätzt, habt ihr nie begrisfen" — es ist gerade die Liebe, die hier
die Augen öffnet. Die Liebe zum Alten hält seine Vorzüge unserer
Seele bewußt, die Liebe zum Neuen räumt dem Verständnisse die
Schwierigkeiten wcg, mit andern Worten: geradc die Voreingenom-
menheit für alt oder neu schließt uns für seine Werte die Augen
aus. Aber Liebe blendet bekanntlich auch, läßt Vorzüge sehen, wo keine
sind, und macht ungerecht gegen das Nichtgeliebte. Was könncn wir
bei solcher Verzwicktheit thun? Es wird nichts übrig bleiben, als Allem
mit Liebe entgcgcnzukommen, was wir verstehen wollen, Altem und
Neuem, — aber zur Nbwehr der schädlichen Nebenwirkungen dieses segens-
reichen Dranges die Besonnenheit zu stärken. Und da wir Beschränkte
doch einmal nicht alles umfassen können, da wir sichten müssen, so
werden wir uns fragen: was brauchen wir denn? Was brauchen
wir, wir Menschen von heute, das heißt: ivir Menschcn, in denen Ver-
gangcnheit und Zukunst sich bcrührt?

Batka hat kürzlich gelegentlich cines Buches (Kw. XIV, jj) die
ganze Schwierigkcit der Frage beleuchtet: was ist modern? Stcllcn
wir die Hauptfrage: was im Modernen ist wertvoll, so müssen
wir noch unterscheidcn zwischen Wcrten, die uns vorübergehend, und
Werten, die uns auf die Dauer dienen. Da kommt so vielerlei in
Betracht, daß wir uns in Kürze nur durch cin Glcichnis vcrständigen
können. Brauchen wir also wieder einmal das übliche Vild: Kultur
sei ein dem Dienste der Mcnschheit gewonnenes Land. Wie ist's ihr
gewonnen worden, wie wird's ihr weiter gewonnen? Zunächst muß
es überhaupt gefunden werden. Das liegt in Urzeiten zurück, aber
tagtäglich wird Neuland gefunden. Und wie? Vom alten Kulturland
ziehen Entdecker aus, Entdecker mannigfaltiger Nrt und Entdecker mit
sehr verschiedenem Erfolge. Der eine findet ein neues Gebict, er sieht
es nur, er bestimmt, wo es liegt, er weist damit andern den Weg
dahin. Ein zweiter betritt es, von allen Menschen zuerst. Aber er
erkennt seinen Wert oder Unwert nicht, nnd nun er's schnell wieder
Aunstwart
 
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