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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1901)
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Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [12]: die Tradition
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0026

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cin Wcchn, dcch dcr heutigc Wohnhauschpus in irgend einer Bcziehung
bcgucmer, praktischcr, behaglicher, komfortabler oder gcbrauchsfähiger
wäre. Jn Abb. 5 zeigc ich ein sehr einfachcs Haus in der beschriebenen
Art, in Abb. 6 ebenfalls einen Typus, wie man ihn in jeder Stadt
an allen Ecken findet. Der Nugenschein wird übcrzeugen! Wie sinnlos
das oft gehorte Wort von der Luft- und Lichtfeindlichkcit der alten Zeit
ist, wenn man's allzusehr vcrallgemcinern will, das zcigt die Fenster-
anordnung auf Abb. 5, die mit ihrcr langen Reihe hoch im Zimmer
liegender F-enstcr einc krüftige Lichtslut in die Räuine bringt. Wie
angenehm, breit und beguem sind in diesen einsachcn Häusern die
Treppenanlagcn, wie behaglich noch ihrc Mansardcnzimmer! -ich hätte
schüncrc, iinposantcre Beispicle sür Fronthüuscr bringcn können, ich
wähle dicses schlichte, um zu zeigen, wie sicher die einsachste Anlage
nuch dem bescheidcnsten Handwcrker damals geriet, weil er innerhalb

der fcstgefügten Grcnzen der Ueberlieserung schritt.

Noch ein Beispiel und Gegcnbeispiel, und dicsmal aus dcm Garren.

7 und 8. Eine Anlage, mie die erstere, wird einem jeden cmpsänglichen
Menschen nls erwns ungemcinlich Trauliches erscheincn. Und doch zeigt
sie nichts andercs, als die seit Jahrhnndcrten natürlich verfeinerte Ucbcr-
lieferung des Gartcns, der nun eincm jcdcn Bauern anf dem Lande
wohl geraten mußte, weil er gar nicht dran dachte, daß man s auch
anders machen könnte. Abwechslung ergab sich ja aus den natürlichen
Bedingungen selbst noch vollaus. Das abfallende Gelünde murde durch
eine aus rohen Vruchsteincn schlicht ausgebaute Futtermauer in zwci
Terrassen geschieden, die nun einc große natürlichc Gliederung in da^
Ganzc brachte. Gerade Wege tcilten auch dicse Terrassen wieder^in
weitere Glieder, Vuchsbaum saßtc in niedrigen Hecken sie ein. Für
cine Anlage wie Abb. 8 hilst auch die Ausrcde nichts, zur Führung
von Futtcrmaucrn und Treppen sei kcin Gcld da, denn die Anlage ist
viel tenrer, als einc natürliche Gartcnanlage würe. Jch wciß nicht,
wic weit an dcr Hüßlichkeit dieses ^Gartcns" die Erbauer sclbst die
Schuld tragen — sicher ist, daß sie hundcrt Jahre frühcr unmvglich
gcwcsen wäre, mochten da Baumcistcr und Bauherr bcschasfcn gcwescn
scin, wie sie wollten. Dic Tradition hätte ihnen solchc Jrrwege wie
mit einem Bollwerk verschlossen.

Aber noch ist es nicht zu spät. Noch sind wir, menn auch^mcht
mehr im inncren, so doch noch im üußcrcn Bcsitz cines gutcn Teiles
bes von den Vorsahren errungencn Gutes. Es gilt, die Erkenntniv
von dcm Werte dieses Besitztums wieder zu gewinnen, das noch heute
-^rivate und Stadtverwaltungen und Regierungen nicht nur verkommen
mssen, sondern zerstvren, aiistatt diese kostbaren Reste als lcbendiges
Anschauungsmaterial so lange zu bcwahren, bis sie wieder bcgriffen
werden, bis Raden wicdcr angcknüpft ist. Dann, erst

dann ...

>auungsmaterial so lange zu vcwuyie„, — ^

rn, bis der abgcrissene Faden wicder angcknupst ist. ^ann, erir

. dürfen sie wie allcs Vcrgänglichc stcrben gehen. Dann wird t-i

und Schöneres an ihre Stelle tretcn, abcr dann erst.

Ncucs


z. Vktoberhcft z9vt
 
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