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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 4 (2. Novemberheft 1901)
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Schwindrazheim, Oskar: Lässt sich die Bauernkunst wieder beleben?
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0161

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kann kcine künstlich präparicrte Gartencrde vertragen, sie stirbt oder sie
mird eine lateinische Gartcnblumc, wie andere auch, jcdenfalls, sie bleibt
nicht das liebe, bescheidcne Gcschöpf, das nicht zum mindesten dcshalb
schön ist, weil es dort, wo wir's findcn, crsprossen ist.

Werden wir uns cinmal darüber klar, was wir denn möchten.
Wir möchten, daß der Bauer scin schöncs, altes Haus behält, oder
wcnigstens dcsscn gute Sciten und Schönhcitcn, statt sich bedingungslos
dem inoderncn Dachpappenkastcn oder der ,an die Grotzstadt erinnern-
den" „Villa" zu ergebcn.

Wir müchtcn, datz seine Stube Eigcncharakter habe, datz sie anders
ausschauc, als sic heutc aussieht: mit scheußlichcr Tapete bckleidet, mit
scheutzlichen, unsolidcn Möbeln, furchtbaren Fünfgroschenbazarnippes ,ge-
schmückt" — mir findcn, sic sah chedcm mit ihren gestrichcnen, getäfelten,
gckachcltcn Wändcn bcsscr aus und war praklischer.

Wir möchtcn, datz Mobiliar und Hausrat wieder so cigcnartig,
so zweckmätzig, so frühlich wcrde, wie früher.

Wir möchten, datz die Dorfhandwerkcr, statt Flickschuster und

Agenten städtischer Schundmöbclfabrikcn zu scin, wieder selbst Möbel,
Eisenarbeitcn u. dgl. herstellen, und zwar nicht nach irgend welchen
städtischen Vorlagcn, sondcrn ein wenig mit Eigenem darin, wie's
frtthcr war.

Wir möchten, datz die Knechte und jungen Burschen statt im

Wirtshaus zu sitzcn, auch cinmal wicdcr zum Schnitzmesser u. s. w. greifen.

Wir möchten, datz die Fraucn und MSdel selber wieder sticken

und andere weibliche Hauskunst trcibcn, und zwar nicht blotz nach den
schvncn Mustcrn dcr Modcjournalc.

Datz der Bauer sich aus der Stadt Gebrauchsgcschirr, Porzellan,
Oefcn, Uhr u. a. m. kauft, dagegcn habcn wir gar nichts, das that er
frühcr ja auch. Leidcr nur kann cr bei uns nichts bekommen, was den
Vcrgleich mit den schöncn grünen odcr blaucn alten Oefen, den schünen
holländischcn oder englischcn Uhrcn, dcm schönen alten Porzcllan oder
Stcinzcug unsercr klcincn Fabrikcn anshielte. Schund, Flunkcrware
von A bis Z, weiter ist ja nichts für ihn da — wir möchten, datz

Besseres für ihn da würc.

Schen wir diese Wünschc einmal durch — sind es andcre Wünsche,
als die, die wir in dcr Stadt für uns auch haben?

Wünschcn wir selbst dcnn nicht auch aus dcr Stuckschcinpalast-
miscre hcrauszukommcn? Erstreben denn wir nicht auch vcrnünftigc,
eigenartige Wohnungseinrichtung statt dcs Schablonensalons? Kümpfen
ivir dcnn nicht auch gegcn dcn Ungeschmack unserer billigen Durch-
schnittsmvbel? Wollen wir denn nichk auch bei uns das Surrogat-
und Fünfgroschcnbazarunwcsen zum Tcmpel hinausfegen? Wünschcn
wir dcnn nicht auch, datz unsere städtischen Handwcrker nicht nur Ge-
schäftslcute, sondcrn wieder, wic frühcr, Künsrlcr werdcn, nicht blotz
Modckopistcn, sondern cigcnc Köpsc? Sind Handfcrtigkeitsuntcrricht und
Liebhaberkunst in dcr Stadt dcnn so ganz unbekannt? Kämpfcn wir
in dcr Stadt nicht auch gegen Gigerltum und sonstige Modcthorheitcn?
Wünschcn wir uns nicht auch vernünftiges Gcschirr, Porzellan, Ocfcn,
Wanduhren u. dgl. m.? Können wir sie viellcicht zu anlegbaren
Preisen bckommcn?

rovemberbcst 190k
 
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