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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1901)
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Schwindrazheim, Oskar: Lässt sich die Bauernkunst wieder beleben?
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0163

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wir sie nicht glcich aus, wcnn ihr Eigencs mal nicht ganz nach unscrm
Großstadtgeschmack ist, crmutigen wir sie im Gcgcnteil, machen wir sie
nicht zu Fabrikanten! Dann ist es nicht unmöglich, daß wicder
cine Art Baucrnkunst, die individuclle landschaftliche Vcrschicdenhciten
hat, hcranwächst.

Natürlich gehört dazu auch, daß der Bauer solchc Lachen kauft.
Warum sollte er das nicht, wcnn sie so gut, so praktisch, so modern,
so billig sind, wic die in dcr Stadt, — sie sind zum Teil sogar auf dem
Lande billigcr hcrzustellcn — wcnn sogar die ,Stadtlüd" sie nett finden
und selbst ähnliche haben?

Ein Eingrcifcn von dcr Stadt her mit Schule, Ausstellung, stüd-
tischcn Vorlagen, städtischcr Vcrkaufsstelle haltc ich gerade so wie Andcre
für vcrdcrblich. Die Schcrrebcker Weberei z. B. hat von vornherein dcn
Charakter volkstümlichcr Kunst verloren und ist nichts als cine Fabrik —
Entwttrfc von hochmoderncn Malern, die gar keine Fühlung mit der
Volkssccle hattcn, in fremder Tcchnik ausgeführt für den Salon des
Millionärs — wo soll da die Volkstümlichkeit hcrkommen? Scherrcbek
mag Verdienste haben, aber das Verdienst, cinc nationale, wahrhaft
volkstümliche Bauernkunst gcschaffcn zu habcn, hat es nichr. Jch gebe
zu, daß cs ja spätcr anders wcrden mag, wenn erst auch der Bauer
etivas von diescr Tcchnik habcn kann und die Wcberinncn selbst ihre
Muster crfinden.

Was ich von positivcn Eingriffen wünschtc, ist: erstens ein wirk-
liches Kcnnenlcrnen der Bauernkunst, entsprcchend dcm heutigen
Studium dcs Baucrnhauscs. Zweitens der Versuch, dem Baucrn den
Untcrschied zwischcn wirklich gut und scheinbar prachlvoll klar zu machcn
— damit hängcn zusammen die Bcstrcbungcn, ihm Erkenntnis für den
wahrcn Wcrt seincr altcn Kunst zu gcben, ihm den Wahn zu nehmen,
als wollten mir ihn zu törichter Altertümelci verführen, ihm im Gegen-
tcil zu beweisen, daß scin altcr Hausrat weit mchr unseren modernsten
Kunstanschauungcn cntspricht, als das, was cr für modern hält u. dgl.
Drittens: Stärkung seincs hcimatlichcn und scines Selbstbewußtscins; wir
Städter haben ihm das gcnommcn, suchen wir, ihm's wicdcr zu geben.

Sodann, es ist ja ivahr, man könnte sich auch cine Art von Kunst-
schulen auf dem Laude denken — es bcdürfte aber dazu Männer, Künstlcr,
dcncn an Vermögen, Titcl, Ruhm und Ordcn nichts gelegen ist, die
mit ihrcn Gaben nicht sich, sondcrn dem Heiligsten, was cs gibt, dcr
Sccle ihres Volkcs, diencn wollen. Habcn wir solche? Jch könnte
mir dcnken, daß es Künstler gcben künntc, die sich nicht für zu hoch-
stchcnd hicltcn, als Brttder des Volkes im Volkc zu lcben, und die es
sogar als eine wundcrsam schünc Sachc bctrachtcn würdcn, sich in dicscm
odcr jcncm Dorfe, das schon frühcr cinmal kunstthätig war, nicderzulassen
und den Leutcn ringsum mit ihrcr cigenen Kunst cin wcnig zu helfen —
langsam, unmcrklich, cinfach, natürlich, nicht sie zu drcssiercn zu Doku-
mentenfälschcrn. Sie dürftcn nalürlich wcdcr den Mund voller Aesthetik
habcn, noch darnach strcben, umgcbcn von ihrcn Werken, in modernen
Zcitschriftcn als Lcuchtcn abgebildet und von Zeit zu Zeit interviewt
zu werdcn, sic müßten auch cinsachc, bcscheidene Landleutc werden, tot
für dic offizicll ancrkanntc, in dcr Kunst .tonangebcnde" Welt. Fromm
im bcstcn Sinne des Wortes, humorvoll, sclbstlos müßten sie arbeitcn,

2. Novemberbeft tIvi
 
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