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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 8 (2. Januarheft 1902)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0427

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„Auf Olympos hohem Haupte

Saß dcr Götter selge Schaar."
Nedncrisch mag das hingehn, denn ich
verstehe natürlich sofort, wie's gc-
meint ist. Genicßc ich aber rvirklich
die Ansch auung, so empfind'ich eincn
schlimmcn Bruch. Eben wird mir der
Berg als cine Gestalt gezeigt mit einem
Haupte, und nun soll ich die seligen
Göttcr auf dicsem Haupte sitzen
schn l Wer derglcichcn schrcibt, redet
der in diescm Augenblicke nicht nur,
sieht er wirklich, was zu sehn er doch
vorgibt? Nein, er spricht vielleicht sehr
gemütvoll und sehr begeistert, und waS
er spricht braucht also keincswegs ohne
Werte zu sein, aber er lcbt zum min-
desten in diescm Augcnblicke nicht in
scinen Phantasien, ist also zum min-
desten eben jetzt kein Dichter. Jedcr
sühlt sofort die Lächerlichkeitcn des be-
kannten Scherzwortes: „Der Zahn der
Zeit, der schon so manche Thräne ge-
trocknet hat, wird auch über diesc
Wundc Gras wachsen lassen" — abcr
nur dem Gradc, nicht dcm Wcsen nach
ist das von schiefcn Anschauungcn
gleich jencr Wildenbruchs vcrschieden,
dem übrigcns an andcrn Stcllcn auch
schöne Anschauungen gclingen.

Nahe vcrwandt mit schiesen An-
fchauuugen ist dann das Zusammen-
mengcn symbolischcr und eigentlichcr
Bezeichnungen, wovonWcberin unserm
heutigcn Sprcchsaale gelegentlich D'An-
nunzios spricht.

* Sclbstanzeige:* „Dinzenz
Haller", Novelle von Leopold
W e b c r. Herausgegeben vomKunstwart.
lMünchen, Kunstwartvcrlag, Georg
D. W. Callwey, M. ,,so).

Jch habe versucht, das Schicksal
darzustellen, das sich ein in seiner
Eigenart besonders dcutlich befangener
Mcnsch durch scincn Charakter bereitet,
cin cigcnsinnig-bcschränktcr Phantasie-

* Wir nehmeu hiermit „Selbst-
an zeigen" wieder auf, wie wirsic vor
vierzehn Jahren nach dem Vorgange

mcnsch, üessen Denkcn sich wcnigcr in
begrifflichen Auseinandersetzungen als
in siunlicheu Vorstelluugcn ausdrückt.
Jch habe mich bemüht, neben dem
Leid dieses Gebundenseins, üas hicr
zum Untergange führt, auch die Lust
dcs sich selber Angehörens hervor-
treten zu lassen, mochte sie auch in
dem von mir gewählten Falle ihre
Hauptreize oft nur in eincm erbittcrten
Trotz finden. Jch habe geglaubt, daß
diese Schilderung einer besondercn
Pcrsönlichkcit zuglcich eiues ticfcrcn
Gehalts nicht zu cntbchren brauchte;
dcnn im Grunde ist es ja unser allcr
Los, in unsrer Eigenart befangcn zu
sein und nicht weft, wenn übcrhaupt,
über uns selbst hinaussehn zu können.

Was die Darstellung anlangt, so
lag es nicht in meiner Absicht, eine
Charaklerentwicklung in all ihrcn
Stufen möglichst lückcnlos wieder-
zugeben, sondcrn ich habc im Gcgen-
tcil nur die allerwichtigstcn Punkte
herausgegriffen und, während ich so
die einzelnen Hauptzuständc ohne
weitere Vermittlung und Erläutcrung
, hinstelltc, die Phantasic des Auf-
nehmenden dahin anzuregen gchofft,
daß sie sich selbcr daraus ein Bild
des Gewesenen nach rückwärts, des
Werdenden in die Zukunft entwcrfe.
Diese Art hat, wenn sic dcm Autor
natürlich ist, mcines ErachtenS den

der „Zeitschrift für wisscnschaftliche
Philosophie" bereits gebracht, dann
aber, während andere Zeitschriften die
Neuerung weiterführtcn, bald wiedcr
ausgegeben haben. Doch beschrünken
wir Sclbstanzeigen nun auf Bücher von
ständigen Mitarbeitern des
Kunstwarts. Rezeusionen über solche
Bücher bringcn wir bekanntlich nicht,
da sie ja doch unparteüsch gar nicht
sein könnten, anderseitL nber wär's
wunderlich, wenn die Leser gcrade
von den Büchern derer, dic allmonatlich
zwcimal zu ihnen redcn, nichts er-
sühren. Selbstanzeigen, die sich unmiß-
verständlich als Meinung des Ver-
sassers gebcu, helfen wohl am bcstcn
über diese Schroierigkeit hinaus. A.-L.

2. Iaimarbcft ty02

Zsz
 
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