Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1902)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0483

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
imcklungen, die bcide einc ganze Anzahl
beincrkenSiverter Autoren und Stücke
aufweiscn. Da ist zunächst die volks-
tümliche Entivicklung, die, im Grunde
nuf Hans Sachs und noch iveiter
zurückgehend, auf dcm Wicner Boden,
in dcr Hansivurstiadc u. s. iv. immer
lcbendig gebliebcn, in unserem Jahr-
hundert zunachst zu Naimunds Märchen-
und dann zu Anzcngrubers Bauern-
Komödie, hier und dort auch zu treff-
lichen Lokalstückcu, ivie Niebcrgalls
„Datterich" führt. Daist zweitens die des
„gebildeteu" und zugleich theater-
mäbigcn Lustspiels, die, etwa mir
Audrcas Gryphius beginuend, über die
sog. sächsischc Komödic mit der Höhe in
Lessings „Minna von Barnhelm" zu
Kvtzebue gelangt, und in unserem
Jahrhundcrt sich von diesem zu Töpfer,
Baucrnseld, Benedix. dcr neuen Höhe
in Freytags „Journalistcn", Putlitz,
Wilbrandt erstrcckt. Ia, man könnle
vicllcicht noch cinc dritte, erst spätcr
einsetzcnde Entivicklung, die des roman-
lischen odcr schlechthin poetischen, ob
iiuu idcalistischcn oder realistischcn
Lustspicls aimehmen, zu der dic grotzcn
uud fcinen, in dcr tzauptsache ge-
lungcnen Erperimente, Kleists „Zer-
brochcncr Krug", Grillparzers „Weh
dem, dcr lügt", Ltto Ludwigs „Hanns
Frei", Nichard Wagners „Meistcr-
singer", Jordans „Durchs Ohr", auch
Gerhart Hauptmanns „Bibcrpelz".
vicles Misjlungenc, aber Znteressante
bci Tieck, Brentano, Grabbe, Büchncr,
tzebbcl, abcr dann auch Mittelgut ivie
die rvmantischen Lustspiclc Teinhard-
steins und Bauernselds, die historischen
Gutzkows u. s. iv. zählen. Sieht nicht
das Ding, so betrachtet, ein bischen
andcrs aus, als ivenn man den Blick
immer nur auf die drci Mcistcr- und
Musterstückc gerichtet hält? Der Bühne
jst natürlich am meistcn mit Stücken
dcr mittlcrcnEntivicklungsreihe.mit dem
„gebildctcn"Lustspicl odcrGesellschasts-
lustspicl gcdicnt, und dessen vorzüg-
lichster Vertreter ist cben Baucrn-

feld geivesen. Er hat zunächst dem
Wiener, dann aber dem gesamten
Teutschen Theatcr nicht iveniger als
fünfzehn erfolgreiche Stücke gegeben.
Und es ist keines darunter, das possen-
haft, keines.das sittlich bedenklich, kauni
eines, das reines Tcndenzdrama im
üblcn Sinne geivesen wäre, und um
nun auch die positiven Seiten heruorzu-
hebcn, auch kcincs, das nicht wenigstens
^ irgendwie mit dem wirklichen Leben
zusammenhing, keines, das ohue Launc
und lebendigen Dialog, manches, das
in der Typisicrung der Gestalten
und der satirischen Beobachtung vor-
trefflich, wenn auch manches, das ohne
feste Handlung war. Freilich, ein
Aristophanes war auf Altwiener Boden
nichr möglich, und um ein Molierc
zu werden, sehlte dcm östcrreichischcn
„Raunzer" oor allem die sittliche Kraft.

Adols Bartels.

* Seinrich Kruse ist gestorben,
nicht weniger als 87 Jahre alt. Ein
Altersgenosse und Jugendbekannter
Geibels, aus Stralsund gebürtig, war
er, seit z84? journalistisch thätig und
seit t855 Chefredaktcur der „Kölnischen
Zeilung", längst über des Lebens
Mittag hinaus, als er 18<>8 dnrch sein
Trauerspiel „Die Gräfin", das neben
Geibels„Sophonisbe"beiderdamaligcn
Schillcrpreiserteilung eine ehrenvolle
Erwähnung fand, auch als Dichter
bcrühmt wurde. Das Stück verdiento
die ehrenvolle Erwähnung, zumnl
neben Geibels akademischcm Drama:
es war cnergische Charakteristik darin.
Aber nun schrieb Kiruse Drama auf
Trama, all üie oftmals behandelten
Sloffe: „Wullenweber", „König Erich",
„Morig von Sachscn", „Brutus",
„Marino Falieri", „Rosamunde",
„Alcrei", „Hans Waldmann" wurden
von ihm wieder einmal ins Joch der
Jambentragödie gespannt, freilich ohne
das übliche hohle Wesen, in gut
bürgerlich-nüchtcrnem, aber nicht ebcn
in wahrhaft-dichterischem Gciste, und
so entging denn der Autor dem Ge-
1. Februarbeft 1902
 
Annotationen