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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 12 (2. Märzheft 1902)
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Batka, Richard: Strauß gegen Wagner?
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0610

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Jm Hause Wahnfried beobachtete man die Verquickung der Waguer-
und der Straußsache mit wachsender Unruhe, und als dcr „Jungmeistcr"
für seinen „Guntram" den Bagreuther Segen beanspruchen zu dttrfen
glaubte, kam es zum ersten offenen Zmiespalt. Da nämlich Siegfried
Wagner ihm in einer Unterredung vorhiclt, daß seine Grundsätze mit dcr in
der Familie Wagner beivahrten, authentischen Ueberlieferung nicht mehr
im Einklang ständen, wies Nichard Strauß stolz auf die zehn Bändc
Wagnerschen Schriften am Regale: daraus könne sich jeder, der lesen
und dcnken gelernt habe, selbst Auskunft über die echte Lehre des
Meisters holen.

Dieser Vorfall ivurde in engeren Straußianerkreisen gern als
„historischer Momcnt" erzählt, und uns Jüngeren imponierte er geivaltig.
An der Autorität Wagners zu rütteln, getraute damals sich noch Keiner.
Abcr das schien ganz einlcuchtend, daß der schöpferische Künstler den
lebcndigen Sinn Wagnerscher Lehren besser zu sassen und zu deuten vcr-
möge, als diejenigen, die in menschlich ehreniverter Trcuc an den Buch-
staben der Ucberlieferung hafteten. Arthur Seidl, der bcglaubigte
Aesthetiker der Straußgemcinde, hielt denn auch bis jetzt an der Abkunft
der Straußischen Kunst von derjenigen Wagners fest, bcmühte sich alle
Welr zu überzeugen, sie sei ihr gesetzmüßigcr Aus- und Weiterbau, und
wenn die „Konsegucnzen," die Strauß aus Wagner zu ziehen beliebte,
auch nicht selten weitab vom Neiche des Grales führten, immcr solltcn
wir in seinen Werken noch „Früchte vom Bagreuther Stamm" erkennen.
Vielen wurde mittlerweile die angebliche Verwandtschaft recht zweifelhaft,
aber die Fiktion blieb aufrecht, uud Strauß ließ sich bis in seine neueste
Oper „Feuersnot" hinein als „des Meisters echter Sproß" und Vollcndcr
seiner Sendung verherrlichen, ja er erteiltc dicser Staumbaumthcoric aus-
drücklich, d. h. musikalisch seinen Segen.

Alan hat das Richard Strauß sehr übel als unverschümte An-
maßung ausgelegt, — wer die ganze an seinen Namen sich knüpfende
Bewegung mitgemacht hat, empfindet es anders. Ja, wir jüngeren
Musikmenschen haben an Strauß gcglaubt als an dcn Großen, der, von
Wagner ausgehend, cine neue Kunstepoche eröffnen und beherrschen sollte,
wir haben diese Hoffnungen genährt auch, als manchcs in der Rechnung
nicht ganz stimmen wollte, wir haben uns Strauß als den berufcncn
Nachfolger Wagners gcradczu suggcriert. Wohl denen, die schon frühcr
von diesem Wahne geheilt wordcn sind, dic nicht erst die schmcrzliche
Enttäuschung der „Feuersnot" zu erfahren brauchten. Jedenfalls: dieses
Werk hat viele cnthusiastische Verehrer Straußcns stutzig gemacht. Der
größte Künstler kann sich cinmal „verkomponiercn," und es wäre un-
dankbar, nur wegen einer Schöpfung zehn andere zu übersehen, mit
denen Kunst und Menschhcit bercichert worden sind. Aber daß cr sich
als geistigen Erben Wagners gcrade in einem Werke nufspieltc, das
als eine Verhöhnung Wagnerschcn Geistes mit Hündcn zu grcifen war,
das hat Zweifel, Verstimmung, ja Erbitterung hervorgerufen, hat in-
mittcn blindcr Schmürmerei dcn kritischen Sinn wiederum krästig geweckt.

Hätte unsere Zeit einen Aristophanes, er wttrde sich die Gelegen-
heit zu eincr öffentlichen Abrechnung nicht entgehen lassen. Auch wer
kein Aristophanes ist, aber ein Auge für Satire hat, sieht damit, als
Kunrad, der Held der „Feuersnot," scine Philippika widcr die Münchner
Aunstwart
 
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