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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

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Heft 15 (1. Maiheft 1909)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0218
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Anzulänglichkciten in den beiden
Gipfelaufgaben zu vcrdecken?

Friedrich Düsel

Vom kleinen Mozart

ine amnutige Gabe legt der
Verlag Breitkopf L Härtel den
Musikfreunden auf das Notcnpult:
Die Londoner Klavierstückc, die der
achtjährige Mozart auf seiner Lon--
doner Konzertreise komponiert hat.
Sie läßt uns mit Stauuen in die
reiche Phantasicwelt dcs Knaben
einblicken. Zierliche Menuette,
Allegros, Prestos, Adagios, Fugen
sind da, an dcnen man heute noch
seine Freude haben kann. Mit
Necht bemerkt der sorgsame Her-
ausgeber Schünemann, daß sich
der fertige Mozart, das Ritterliche
und Sinnige seiner Weisen, seine
Kantabilität und seine typischen
Formeln hier schon in den Themen
und ihren Entwicklungcn ankün--
digt. IH wünsche dcm schmucken
Notenheft, das in der Ausstattung
dem Original nachgcbildet ist, weite
Verbrcitung. Nur — gerade in
Kinderhände möchte ich's nicht
gerne gclegt sehcn, so gut es tech-
uisch vielfach für sie paßt. Man
soll diese Stücke nicht abklimpcrn,
man muß reif sein, um sich an ihrer
süßenAnreife zu sreuen, man muß den
Ernst des Lebcns kennen, um sich in die-
ser Spielseligkeit zu erheitern, man muß
ein bißchen müde sein, um sich an ihrer
Morgenfrische zu erquicken. B

Die Verulkung des Mär-
chens in der Illustration

^ch habe ein illustriertes Märchen-
Obuch vor mir, unü zwar noch
eines der allerbesten aus der neueren
3eit. Was sehe ich? Operetten-
könige und Königinnen, possenhafte
Höflinge, Fastnachtsnarreu, feiste
Menschenfresserköchc, das Volk in
allerlei vergangencn oder nie dage-
öwscnen Trachtcn vcrkleidet, bald in

l- Maiheft

Biedermeier, bald iu Landsknechte,
bald in kokette Marquis aus der
Regence, dazwischen plötzlich wieder
ultrarealistische Figuren wie vom
Fischmarkt photographiert nebcn
wesenlosen Klischees aus französi-
schen Romanillustrationen der MOer
Iahre, dazu entweder ein regen-
uüchterner Stadthintergrund oder,
um das Märchen zu markieren,
phautastisch bizarre Ungegenden mit
fratzenhaften Ängeheuern im Stile
Doräs. Was ist das? Das ist
Grimasse, das ist humorverlassener
Ulk, aus den Weihnachtsvorstel-
lungen, Karnevalsaufzügen, Ballett-
pantomimen und vor allem aus
der französischen Operette bezogen.
Und woher hat es die französische
Operette? Sie hat es davon, daß
der Franzose als ein Verstandes-
mensch das MLrchen nicht ernst
nimmt und sich durch Alk für die
Unwahrscheinlichkeiteu der Erzäh-
lung glaubt entschädigen und ent-
schuldigen zu sollen. Nun frage
ich: Haben wir die nämlichen An-
schauungen vom Märchen? Ich
denke, wir halten das Märchen
für eine tiefsinnige herzinnige Poe-
sieform, für epische Volkspoesie, nicht
mindcrwcrtiger als die Volkslyrik.
And da soll uns ein Zeichner mit
seinen flüchtigen Schnurrpfeifereien
aufwarten, die er selber nicht ernst
nimmt und die sich über den In-
halt des Märchens lustig machen?
Wer ein Märchen illustrieren will,
soll uns jedenfalls nicht die Poesie
des Märchens zerstören, es gibt da
nichts zu karikieren und nichts zu
naturalisieren; die Poesie des Mär-
chens ist innig und warm, und wo
es lacht, ist das das Lachen dcs
Humors, der das Alltägliche vcrklärt,
aber nie das grinscnde Lachen dcr
nüchternen spöttischen Verstandes-
überlegenheit. Doch was braucht es
vieler Worte? Wie cin Märchen
durch den Stift zu schmückcn sei,


Musik

Bildeude Kmrft
 
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