Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

DOI Heft:
Heft 15 (1. Maiheft 1909)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0223
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Anaussprechlichcn", das heißt auch
des Anbewnßten — und zwar mit
Kunst im weitesten Wortsinne. Eine
Ausbreitung der Ausdruckskultur
muß uns den „Zeitgeist" der Gegen-
wart annähernd so klar schen lassen,
wie wir jeht den „Zeitgeist" dcr ver-
schicdencn Vergangenheiten sehen.

Wie die Hhgiene des Geistes, so
fehlt uns fast gänzlich eine Volks-
wirtschaft mit geistigen Gütern,
und auch hier sehe ich eines der
großen Ziele bewußtcr Kulturpoli-
tik. Iede Aufgabe, die nicht von
der bestgeeignetcn verfügbaren Kraft'
verwaltct wird, bedeutet ja eine
Einbuße des Nationalvermögens an
Kraft. Was geschicht zur Rege-

lung? Der „Zufall" oder dunkle
Instinkte, Vorurteile, Machtverhält-
nisse greifen hier nach dieser, dort
nach jener Richtung in die Räder,
sehr häufig unter dem Banne jenes
„Steckenbleibens" der Gcdanken und
der Gefühle, das zum Beispiel un-
sympathische oder gegnerische Men-
schen auch dann nicht an einer
bestimmten Stelle wünscht, wenn
ihre bestmögliche Lignung für sie
bei voraussetzungsloser und weit-
blickender Betrachtung unbestreitbar
wäre. Ferner: unsre Einrichtun-
gen, auch unsre Gesetze sind be-
kanntlich zu sehr großem Teile der
Niederschlag von ausschließlich ma°
teriellen Interessen auch da, wo
noch andre Intcressen von hoher
Wichtigkeit mitwirken sollten. Unser
Arhcberrecht zum Beispiel ist im
wesentlichen Ausdruck von mate-
riellen Interessen der wirklichcn
oder 'sogcnanntcn Arheber, noch
mehr allerdings ihrer geschäftlichen
Verwerter. Es reguliert ausschließ-
lich nach dem Tagesmarkt-
werte, der bekanntlich vom Dauer-
werte sehr verschieden ist. Am ein
Beispiel zu nennen: ich wünschte,
daß wir an den Auf- und Ausbau
eines Arheberschatzes zur Ergän-

f82

zung des Urheberschutzes gingen.
Anter dem Arheberschatz denke ich mir
eine Neichsorganisation mit zweicr-
lei Zweck. Erstcns der Sorge da-
für, daß schöpferische Talente auf
allen Gebieten der Künste, der Wis-
senschaftcn und der Technikcn nach
Möglichkeit in den Stand gesctzt
würden, der Allgemeinheit nicht
mit ihren untergcordneten, sondern
mit denjcnigcn Kräften zu diencn,
die ihnen vor audern eignen. Das
ließe sich auf sehr verschiedene
Weise, unter anderm auch durch
den Ankauf von Arhcberrcchten
durch die Allgemeinhcit bcfördern.
Die so erworbenen Rechte könnten
dann in einer Weise verwaltet
werden, die wucherische Ausnut-
zung durch private Verwerter hin-
dern würde. Denn der zweite
Zweck dcs Arhcbcrschatzes müßte
die Sorge dafür sein, daß die ge-
schaffenen Ncuwerte in Technik,
Wissenschaft und Kunst möglichst
schnell in den Dienst der Allge-
meinheit kämen. Äber die Ein-
richtung dieses Arheberschatzes noch-
mals zu sprechen, würde an diescr
Stelle zu weit führeu. Die Mittel
könnten lcicht mit geringem Reichs-
zuschuß oder ganz ohne solchen
dadurch zugeführt werdcn, daß die
Ausnutzer „frei" gewordener Ar-
heberrechte zu einer kleinen Be-
steuerung ihres Einkommens aus
solcherAusnutzung zugunsten dcsAr-
heberschatzes hcrangezogen würden.

Das hier Gesagte dcutet natür-
lich nur eiuige der Wcge an,
auf denen wir meiner Abcrzeugnng
nach vorwärts kommen könnten.
Große Gebiete wie das der ge-
samten Iugendbildung sind ja
dabci kaum berührt. Die Be-
gründung und weitere Ausführung
der hier nur flüchtig umrissenen
Gedankcn habe ich an andrer Stclle
versucht. Als Voraussetzung aller
Erfolge einer Kulturpolitik er-

Kunstwart XXII, ^
 
Annotationen