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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

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Heft 15 (1. Maiheft 1909)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0232
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(XX, 5), an Uhdes Kind als Lngel (XIX, 5), an seine beiden Mädchen
bei „Schularbeiten" (XXI, s)> an sein Kind mit der Puppe (XXII, 6),
an sein Heideprinzeßchen (XXI, (6) und zuletzt, aber nicht zu wenigst,
sondern znmeist an sein „Lasset die Kindlein zn mir kommen" (XXI, (6),
das geradezu eine Sammlung meisterlicher Kinderbildnisse enthält. Wcr
Phdes Vedentung als Freilichtkünstler und seine Kraft als eines religiöscn
Malers bestrciten wollte, müßte immer noch zugeben, daß er der erste
deutsche Kindermaler der Gegenwart ist.

Unsre heutigen vier Blätter sollen diese Sammlung nur etwas er-
gänzen. Franz Mutzenbachers Bild, das wir in einem Stein-
druck vors Hcft setzcn, holt treu und sozusagen ehrfürchtig, ich meine:
ohne alles Austragen, Zuspitzen und Zuckerdraufstreun die natürliche Licb-
lichkeit des kleinen Wesens heraus und faßt im Gesicht eine Charakteristik
zusammen, die von der Puppe rechts und den Spielklötzen links hcr
auch den Naum durchwcbt uud mit der ccht kindlichen Haltung (die
Füße!) durch das Persönchen geht.

Der Zweiplattendruck nach Fritz Burger zeigt uns dagegen ein
Malerwerk, dcssen Künstler es auch bei diesem Gegenstande um Farbc
und Licht allein zu tun war: die Charaktcristik scheint hier mehr Neben-
crgcbnis als erstrebtcr Zweck.

Dagegen scheint die Kleine auf Maria Lübbes' Bild mit ganzem
Ernst in ihre schwierige Sache vcrtieft — und in dem nicht bloß humori-
stischen, sondern auch anmutigen Gegensatze zwischen dem kindlichen Wescn
und der Schularbeit liegt wohl ein Reiz des Werkchens mehr.

Zum Schluß das Bedeutendste. Graf Kalckreuth hat bewiesen,
daß er für feine Kinder-Heiterkeit das sichere Organ in der Seele trägt —
tvir erinnern an das Bildnis seines Töchterchens (XIII, 2). Diesmal
aber mag uns seine Kunst auf die ernstesten Seiten der Kindesseele
weisen und zwar der Kindesseele, die sich oft nnter sehr schweren Kämpfen
schon mischt mit der Welt der Lrwachsenen. Scin Knabenbild wirkt
vielleicht auf manche, als böte es Humor, aber nur den crsten Blicken
scheint es so. Es bringt, ganz abgesehen von allem Malerischen, eine
meistcrliche psychologische Studie. Ein Knabe dichtet, und cs ist ihm
sehr ernst darum. Nun irrt bekanntlich die Annahme, daß ein Gesicht
bei angestrengter Gchirnarbeit bcsonders gcistreich aussehn müßte; die
Erregnng im Affekt treibt das Blut in die Wangen, gibt dcn Augen
Glanz und dem Antlitz Micnenspiel, aber gesammeltcs Denken als solches
„entgeistert" vielmehr das Gesicht. Auch der Knabe hier zeugt davon.
Die Haltung ist uugcmein bezeichnend. Die Nechte mit der Feder er-
schlafft am Boden. Die Liuke nervös crregt, vielleicht skandierend, am
Schuh. Der Obcrkörper zusammengcklappt. Der ganze junge Mensch
völlig gleichgültig dagegcn, wie er aussehcn mag, völlig selbstvergessen. A
Hvuch unsre Notenbeilage schlägt das Hauptthema dieses Hcftes an:
'^Ein Lied von Kindern, — aber darum keineswegs eins für Kinder.
Mchts von jener erkünstelten „Einfachheit" und Pseudonaivität, welchc
heute für viele das Kindliche (oder auch das Rokokohafte) ausmacht.
Paul Umlauft, dcn die Kunstwartleser nun b-reits kennen, gibt
auch hier wieder jcne diskret-anmutige, an belebtcn Einzelheitcn reichc
^unst, deren Bestes ist, daß die melodische Erfindung überall melodisch
und ununterbrochcn blcibt, ohne daß auch nur eine noch so kleine Fein-

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