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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

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Heft 18 (2. Juniheft 1909)
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Avenarius, Ferdinand: Laiengedanken vom Richtertum
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Bender, Ewald: Hodlers Jenaer Universitätsbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0403
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für das Messen mit zweierler Maß nicht nur verantwortlich „machen",
sondern besten Glaubens auch verantwortlich halten und deshalb
kein Heil mehr von ihr erhoffen. Das ist die Folge der noch so
wohlmeinenden „Modifizierung" und „Anpassung" irgendwelcher
Gerechtigkeitspflege.

Fassen wir das Ergebnis unsrer Laienbemerkungen zusammen.

Daß das Ansehen des Richterstandes im Sinken ist, wie man's
auf dem Richtertage aussprach, ist so wahr, wie daß das Vertrauen
in unsre Rechtsprechung überhaupt im Sinken ist. Was hinsichtlich
der Vorbildung der Richter, ihrer Auslese für wichtige Stellen, was
überhaupt hinsichtlich der ganzen Einrichtung unsrer Iustiz zu bessern
sei, darüber zu sprechen, ist nicht Laiensache. Wieweit die Recht-
gebung an der beklagten Tatsache mitschuldig sei, ist eine Frage
für sich. Das Ansehen des Richterstandes aber werden unsrer Äber-
zeugung nach alle Iuristerei-Reformen allein nicht wieder auf die
Höhe von ehedem bringen. Unsre Gesellschaft, deren. Teil der
Richterstand ist, muß auf jedes Benutzen der Iustiz zu irgendwelcheu
andern Zwecken verzichten. Was eigentlich „Gerechtigkeit" sei,
eine wie schwierige Frage das ist, darüber wird ein andrer an dieser
Stelle binnen kurzem sprechen. Daß aber sehr vieles nicht gerecht
ist, was unsre Gesellschaft ruhigen Gewissens tut, darüber kann
schwerlich im Zweifel sein, wer Zorn und Liebe, Antipathie und
Sympathie zur Beruhigung des Betrachtens beiseiteläßt. Kann er
das, so muß er's aber auch, wenn er an der Genesung unsrer
Gesellschaft mitarbeiten will. Denn gerade das „Gesellschaftretten"
durch irgendwelches „Anpassen" der Gerechtigkeitspflege im weitesten
Sinne ist ein Arbeiten am Verderben der Gesellschaft. A

Hodlers Zenaer Llniversitätsbild*

s ist mir gesagt worden, daß ich im tzause der Berliner Sezession
E^Hodlers Wandgemälde für die Ienaer Universität sehen werde.
^^Ich bin nicht ganz ruhig auf dem Wege dorthin. Wieder
überkommt mich die sonderbare Erregung, die mir eine schlechte Re-
produktion des Bildes aufgezwungen hatte. Es war mir damals
so vorgekommen, als gehe nicht alles zusammen in Auffassung und
Komposition, doch hatte ich mich der Größe des Wurfes beugen
müssen. Das Gemälde soll riesige Maße haben, ich muß es also
im großen Saale suchen. Ich trete ein, herrisch reißt mir etwas
den Kopf nach links, und fassungslos fühle ich mich in den Rhyth-

* Ferdinaud Hodler steht jetzt nicht nur Tausendcn von Kunstfrcnndcn
„im Mittelpunkte der Disknssion", sondern er wird von vielen geradezu
als Lrfüllnng einer Sehnsncht cmpfundcn; die Leser des Kunstwarts
haben ein Recht, mehr als nur so gelegentlich und obcnhin mit dem
Probleme beschäftigt zu werden, das sich bei scinem Namen aufrollt.
Äm zunächst einmal zu zeigen, was die Vcrehrer diescs so viele andcrc
nur befremdenden Manncs bei ihm findcn, gebcn wir hier cincm sciner
fast rückhaltlosen Bcwunderer das Wort. Um das zu sagcn, was vielleicht
einschränkend gesagt werdcn kann, bleibt immcr noch Zeit, doch sei auch
auf den Bilderbegleittext diescs Heftes verwicsen. A

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Kunstwart XXII, s8
 
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