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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,3.1909

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Heft 18 (2. Juniheft 1909)
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Bender, Ewald: Hodlers Jenaer Universitätsbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.8816#0405
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hätte, oder gar, was aus ihm unter den Händen unsrer „Militär-
maler" geworden wäre! Aber der Witz wird keinem Menschen ge-
fallen. Da sollten wir doch lieber versuchen, nns in die Formen
Hodlers „einzusehen", die deutschen Augen so fremd erscheinen.

Es ist kein Zufall, daß Hodler den Weg zu den Wirkungen des
Freskos so instinktsicher zurückfand. Ein romanisches Erbteil sitzt
dem Schweizer, der mit Vorliebe französisch spricht, im Blut. .Er
ging nach Italien, wie es auch alle Deutschen taten, wenn sie sich
zu monumentalen Aufgaben den Sinn weiten wollten, von Dürer
und Holbein bis Goethe. Nur daß Hodler bloß seinen Instinkt zu
läutern brauchte, weniger zu „lernen". Es liegt nun im Wesen
monumentaler Freskomalerei, daß alle malerischen Mittel, auf die
wir gerade heute so einseitig eingestellt sind — Darstellung des
Raumes in Linie und Farbe, Ton oder leuchtender Farbenfleck bei
kleinem Format und Anwendung von ölfarbe —, zum Mauermalen
nichts taugen. Nichts von Landschaft, Interieur, Stilleben, — viel-
mehr Figur, „schön" auf der Fläche verteilt, keine Tiefe des Raumes,
sondern hochgelegter Horizont, indem man sich Erde und Himmel
als flächenhaften Hintergrund denkt, auf dem wie im Relief der
Amriß sich abheben soll. And wenig leuchtende Farbe, gewisser-
maßen die komprimierten, an SLttigung und Intensität reichen Farben-
komplexe des Tafelbildes auseinandergezogen, verbreitert und ab-
geschwächt, erkältet nach denselben optischen Gesetzen, die uns die
Mauern weiß, grau, gelb, rosa, kaltblau und grün zu färben zwingen.
So liegt denn das Hauptgewicht auf der Zeichnung und dem harmo-
nischen Aufteilen der Fläche; die Farbe dient nur der Kolorierung
der gegeneinander abgegrenzten Flächenabschnitte. Sie ist kalt, un-
persönlich, wie dem Fresko ja alles Intime, Subjektive tersagt ist.
So hat sich jener „Stil" entwickelt aus Bedingungen des Materials
und des Zweckes. Nnd wenn ein Maler die Wand schmücken will,
ohne sie als Wand zu negieren, dann kann er nicht gut anders
malen, als es auch Hodler tat; womit der Vorwurf der Willkür,
mit dem man ihn schon belastet hat, endgültig widerlegt ist. Wie
sich aber auch die lineare Komposition beim dekorativen Wand-
gemälde in einzigartiger Weise den Grundrichtungen: Vertikale,
Horizontale, Diagonale und Kurve anzupassen hat, sie womöglich
korrespondierend mit der Architektur des gegebenen Raumes ver-
wendet, das kann ich hier nur andeuten. Man sehe sich aber irgend-
ein Bild Hodlers dort, wo es hingehört, auf die Komposition hin
an, und man wird staunend begreifen, wo man vorher schalt. Das
eigentliche Fresko hält sich in unserm Klima nicht, daher man heute
mit Tempera (Kaseinfarbe) auf Leinwand malt und diese der Wand
einfügt. —

Und wie hat nun Hodler den Stoff zum Bilde gezwungen? Die
Riesenleinwand ist horizontal durch sast parallel laufende Linien des
Geländes und des Horizontes gegliedert. Dagegen recken sich die
Vertikalen der Ziehenden oben, der Ausdrucksfiguren rrnten in reichen
Variationen. Breit wiedernm sind die im Profil gesehenen Pferde-
leiber dagegen gelagert. Es ist an diesem Ort unmöglich, die Kom-
position vollständig zu analysieren; es mag die Anregung genügen.

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