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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,1.1909

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1909)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8818#0071
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(natürlich im Abguß) statt der
entstellendcn modernen aufzusetzen.
Darüber, wie dies gelang, hier
nur soviel: Der Florentiner be-
kam seinen Kopf aus dem Louvre,
die Mänade aus Brüssel ihren
aus Dresden, und der Ausbruch
der geradezu ansteckend wirkenden
Heiterkcit beider war nur der letzte
Trumpf des glücklichen Lntdeckers.
Ferner mußte nun auch die künst-
lcrische Motivicrung beider Gestal-
ten zusammenklingen. Die Bewc-
gung des Satyrs, der zu seinem
eifrigen Takttreten nun mit bciden
Händcn ermunternde Schnippchen
schlägt, ließ sich nach der Münze
erkennen und hcrstcllen, damit fiel
auf dcn der weiblichen Figur neues
Licht, sie ward zu scinem Liebchen,
das mit neckischem Lachen der Ein-
ladung folgt und seine Schuhe
zum Tanze anlegt. Unser Bild
zeigt, was damit geschchen ist.
Lin herzliches, siegreiches, Heiter-
keit ausstrahlcndes Kunstwcrk, das
sich die Herzen der Vctrachter so-
fort gewinnt. Das Rokoko der
Antike hat ein Werk wiedererhal-
ten, mit dem es seine Wesensver-
wandtschaft mit dem Nokoko der
Moderne mindestens als ebenbür-
tig erweisen kann.

Was noch zu geschehen hat und
bald geschehen wird, darüber mag
mir noch ein Wort verstattet sein.
Die Basis des florentiner Exem-
plares des takttretenden Schnipp-
chenschlägers ist geneigt, danach
muß er auf der gemeinsamen Basis
tiefer stehen, was nicht nur für
Ausglcich dcr Größenverhältnisse
beider Gestalten willkommen ist,
sondern auch ihr Zusammcnwirken
noch lebcndiger macht. Dann

fehlt die Farbe, die nach sicheren
Anzeichen hier vorhanden war und
zur Erhöhung der Wirkung bei-
trug. Das ließ den Gcdanken auf-
kommen, durch Abersetzung in das

moderne Rokokomaterial, den gla-
sierten Ton, ein ganz eigenartiges
Experiment auszuführen und eine
verkleinerte Nachbildung zu schaf-
fen, die uns das antike Meister-
werk in unsre Kunstsprache über-
trägt und damit dem modernen
Kunstleben ganz wiedergewinnt.
Vielleicht werden wir an dieser
Stelle von diesem Versuch bald
sprechen dürfen. Für heutc nur so-
vicl, daß es demselben hochbegabten
jungen Künstler übertragen ward,
dem die Ausführung der gelehrten
Untersuchung „im Gips" so glän-
zend gelang. Wilhelm Klein

Zum Eichendorff-Denkrnal

(?>er Wettbewerb um das Bres-
-^lauer Eichendorff-Denkmal für
den Scheitninger Park ist aus-
geschrieben. „Für dasselbe ist der
auf dem Plane mit einem roten A
bezeichnete Platz bestimmt." „Das
Denkmal soll ein Standbild aus
Bronze werden, welches den Dichter
in ganzer Figur stehend oder sitzend
Zeigt."

So scheint es, als könnten wir
von dem alten unseligen Fehler
gar nicht loskommen, der wirkliche
Denkmalskunst schon so tausendfach
lahmgelegt hat, von dem Vorschrei-
ben dessen durch den Laien, was zu
finden gerade Sache des Künstlers
wäre. Warum fragen Sie, meine
Herren Ausschreiber, den Künstler
denn nicht zuerst einmal,welcheIdecn
etwa er hat? „Aus Bronze", „in
ganzer Figur", „stehend oder sit-
zend" an einem bestimmten Platz
— damit legen Sie ja das beste,
was ein Bildner überhaupt in
Ihrem Dienste geben und beleben
kann, sofort mit Philisterhalftern
fest: seine Phantasie. Warum las-
sen Sie die Künstler, deren eigent-
liches Reich das der „Einfälle"
ist, Ihnen denn nicht zunächst wenig-
stens solche „Einfälle" vorlegcn,

(. Oktobcrheft (9»9 57
 
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