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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,3.1912

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Heft 13 (1. Aprilheft 1912)
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Avenarius, Ferdinand: Auf falschem Geleis?: zwischen Schule und Kaserne
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Sprechsaal
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https://doi.org/10.11588/diglit.9027#0019
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entwickelt werden, noch ist nichts verfahren. Ie mehr alles ausgeschaltet
wird, was nach einer Parteierziehung auch nur hinsieht, je sichsrer wird
den parteiischen Organisationen der Iugendpflege der Wettbewerb um
die Iugend, um die Zukunft beschränkt und schließlich unmöglich gemacht.

Vielleicht dürfen wir nach diesen Vorbemerkungen ein andermal
näher aus den Gegenstand eingehsn. A

Sprechsaal

Llnter eigner Verantwortung der Einsender

Deutschtum und Iudentum

^>^le bisherige Wirkung des Goldsteinschen Aufsatzes „Deutsch-
^jüdischer Paruaß", dem wir zur Einleitung einer Aussprache über
Iudentum und Deutschtum Raum gegeben haben, läßt sich schnell
andeuten. In der Offentlichkeit: lebhafte Besprechung in der rechts--
stehenden, sogenannten „antisemitischen" Presse und vollständiges Still-
schweigen in der liberalen und der sogenannten „jüdischen". Dagegen
in den Zusendungen an uns genau umgekehrt: fast ausschließlich
jüdische Verfasser.

Das kann sich alles noch ändern, warteten wir aber gar zu lange,
so könnte mittlerweile vergessen werden, was zu einer fruchtbaren Be-
sprechung gegenwärtig bleiben sollte. Wir geben deshalb heut der Ent-
gegnung eines unsrer besten deutschjüdischen Schriftsteller Raum, Ernst
Lissauers, und schließen an sie noch einige kurze Bemerkungen aus
Zuschriften jüdischer tzerren an, deren Außerungen wir, um Wieder-
holungen zu vermeiden, kürzen. Äber die Stellung der deutsch-
nationalen Presse von der Rechten unterrichte derweilen ein Zitat.

«U»m das Problem zu durchblicken, das Moritz Goldstein zur Erörterung
stellt, dazn bedarf es einer historischen Erkenntnis fnr die Vergangcn-
heit und einer historischen Gelassenheit für die Zukunft; einer histo-
rischen: aus Erkennen geschichtlichen Werdens und geschichtlicher Not-
wendigkeit muß unsre Entscheidung erwachsen. Goldstein aber weiß vom
Geschichtlichen, wie ich zeigen werde, nichts, nnd in einer Ungeduld, die zu-
innerst auf einem unorganischen und nnhistorischen Wesen erwuchs, rennt
er stampfend, blind und zornig gegen die Tatsachen an. Er meint, klar zn
sehen, und ist gefühlisch vage. Bevor ich ihm antworte, muß ich aussprechen,
daß ich nicht etwa nur andrer Meinung bin, sondern ihn für unfähig
halte, repräsentativ für gebildete dentsche Iudcn zu sprechen; eben nm
jenes Aufsatzes willen: andres kenne ich nicht von ihm.

Goldstein gräbt nirgends an die Wnrzel. Er fragt sich nicht, was eigent-
lich ein Volk ist, und ob danach die Iuden überhaupt noch ein Volk sind.
„Der Staat", so hat ein Hochtory, der Iunker von der Marwitz, vortrefflich
definiert, „besteht nicht aus einem Aggregat von Menschen, die einen will-
kürlichen Gesellschaftsvertrag miteinander geschlossen haben, sondern er ist
das geschichtliche Resultat des Zusammenlebens dieser Menschen auf einem
bestimmten Fleck Erde." Auch ein Volk ist nicht nnr ein Aggregat von
Menschen, sondern gebunden durch die Art des Landes, Klima, wirtschaft-

Kunstwart XXV, sS
 
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