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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,3.1912

DOI Heft:
Heft 15 (1. Maiheft 1912)
DOI Artikel:
Mangoldt, Karl von: Bodenfrage und Städteschönheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.9027#0185
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Bodenfrage und Städteschönheit

^^^odenfrage und Städteschönheit, die soziale und die künst-
>D-Hlerische Misere unsres Städtewesens, sie gehören weit mehr
"^^zusammen, als man bisher beachtet hat.

Bodenfrage, städtische Bodenfrage — was ist das? Es ist die
Frage nach der richtigen Verwendung des städtischen Bodens für
seine große Aufgabe, als Anterlage einer möglichst vollkommenen
städtischen Ansiedlung zu dienen. Gegenwärtig wird nun bekanntlich
bei uns alles Heranziehen und Verwenden des Bodens für städtische
Siedlungszwecke maßgebend bestimmt von privaten kapitalistischen
Interessen. Die bebauten Grundstücke stehen im allgemeinen in
Privateigentum und zwar in einem solchen, das eine starke Verfügungs--
freiheit und insbesondere auch eine sehr große Verschuldungsfreiheit
der einzelnen Eigentümer erlaubt. Von einem regelnden, mäßigenden,
das allgemeine Wohl zum Ziele nehmenden Obereinflusse der
Gemeinden oder sonstigen öffentlichen Körperschaften ist nur in mäßi--
gem Grade und vorwiegend gerade da dis Rede, wo es am entbehr--
lichsten ist: durch polizeiliches Dreinreden.

Was aber viel wichtiger ist, das sind die Zustände auf dem Ge-
biete der Stadterweiterung. Damit die Städte wachsen
können, brauchte es draußen auf den Fluren, die dann später be-
baut werden, einen langen und schwierigen Vorbereitungsprozeß,
Die bisher nach ganz andern, nach landwirtschaftlichen und der-
gleichen Rücksichten geformten und verteilten einzelnen Feld- und
Wiesenstücke müssen in größeren, für die Bebauung geeigneten
Blöcken vereinigt, hunderte kleiner Parzellen müssen zusammen-
gekauft, Straßen müssen gebaut, die Versorgungsnetze für Wasser,
Gas usw. müssen angelegt werden, und endlich müssen die einzelnen
Baustellen an die Bautätigkeit zum Absatz kommen. Dieser ganze
große Vorgang der Stadterweiterung nun, der unzählige einzelne
wirtschaftliche, rechtliche, verwaltungsmäßige und technische Akte ent-
hält, wird bei uns bisher gleichfalls ganz überwiegend von privaten
kapitalistischen Interessen geleitet, vorwärts getrieben und ausgenutzt.
Wohl greifen die Behörden durch Bauvorschriften, durch Bestim-
mungen ein, wie die Straßenlinien verlaufen, wie breit die Straßen
sein sollen, wie hoch die HLuser gebaut werden dürfen, wie groß
die Höfe mindestens gemacht werden müssen usw. — aber den Kern
der ganzen Sache haben doch die privaten Bodenbesitzer in der
Hand. Private einzelne Kapitalisten oder Gesellschaften, die bekannten
Terraingesellschaften, kaufen das Land von den ursprünglichen Be-
sitzern, den Bauern und Gärtnern, zusammen, formen es um, zer-
legen es in einzelne Baustellen, betreiben den Straßenbau, verkaufen
an die Baulustigen, bestimmen die Preise und tragen den wirtschaft-
lichen Gewinn oder Verlust. Es ist hier nicht der Ort, näher aus-
einanderzusetzen, wie verhängnisvoll dieses überwiegend privatwirt-
schaftliche und privatrechtliche System unsrer Stadterweiterung wirkt,
die, wie wir glauben, nach stärkstem öffentlichen Eingreisen ge-
radezu verlangt* Hier seien nur zwei große Wirkungen dieses

* Wer sich näher damit beschäftigen will, der sei auf mein umfang-

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