Rundschau
SLimmfehler der Führen-
den
s gibt eine Unmenge von
Stimmfehlern in der Presse;
wir kennen sie, wissen aber auch,
daß sie in den meisten Fällen un-
heilbar sind, weil sie nicht aus dem
Kehlkopf, sondern von tief innen
stammen, von geistigen Mängeln
oder Charakterbresten. Daneben
glaube ich aber auch solche Stimm-
fehler zu bcmerken, die reine Be-
rufskrankheiten sind, solche, die
beim besten Willen und reinsten
Streben auch den Befugtesten
schleichend bcdrohen, wenn cr in
regelmäßiger Folge wiederholt in
der Presse öffentlich redet. Er
selber Pflegt sie nicht zu hören, der
Sffentlichkeit dagegen fallen sie un-
angenehm auf.
Da ist vor allem der schul-
meisterliche Ton. Dieser un-
angenehmen Longabe zu entweichen
ist fnr jeden, der durch die Presse
„erzieherisch" wirken will, außer-
ordentlich schwer; während ander-
seits die Lesewelt gcrade gcgen
diesen Lon ganz besonders emp-
findlich ist. Gibt es doch eine er°
hebliche Anzahl von Menschen (ich
gehöre auch dazu), die es über-
haupt wie eine Ungehörigkeit ver-
spüren, daß irgend jemand sich
unterfange, erzieherisch auf sie wir-
ken zu wollcn. Es gibt Men-
schen, wclche schlechterdings als
Männer nicht mehr pädagogisiert
werden wollcn und gelegentlich
auch vergessen, daß keine Zeitung
und keine Zeitschrist sich allein an
Menschen ihrcr Art wendcn kann.
Daraus folgt der Rat, die erziehe-
rische Absicht niemals gar zu auf-
fällig auf den Hut zu stecken. Be-
lehrung hingegen, die ist jedermann
nötig und jedermann willkommen;
belehrende Aufsätze oder Zeitschrif-
ten werden auch von keinem Ver-
nünftigen als schulmeistcrlich ver-
spürt. Die Frage drängt sich also
auf: Wo liegt der Unterschied zwi-
schen belehrendem und schnlmeister-
lichem Ton? Ich habe mir diese
Frage oft gestellt und schließlich
folgende Antwort gefunden: Schul-
meisterlich wirkt die Belehrung,
wenn neben der Belehrung der
Leser zu dringend ermahnt und zu
heftig gescholten wird, oder wenn
der Verfasser bei der Belehrung
mit unverhältnismäßigem Eifer
Nebensächliches mit Gewalt ein-
pauken will, bis der dumme Bub
es endlich weiß, oder wenn er eine
Privatmarotte hat, auf der er
immer und immer wieder herum-
reitet, wie auf einem Aufsatzthema;
und dergleichen mehr. Kurz: schul-
meisterlich gegen seinen Willen
wirkt derjenige Belehrende, der sich
durch seinen achtbaren heiligen
Sacheifer hinreißen läßt, seine
i Mitmcnschen wie eine Schulklasse
von Unmündigen abzukanzeln,
während er doch, höchstens ein
primus inter parss, erwachsene
Leute vor sich hat. Etwas besser
wissen berechtigt ja nicht dazu, den
Unwisscnden auszuzanken. Dieser
zänkischc, poltcrnde Belehrungsstil
ist, bciläufig gesagt, in andern
Sprachen als der deutschen, nicht
in solchem Maße gebräuchlich. Als
Heilmittel und Vorbeugemittel gegen
die Gefahr, in den Schulmeisterton
zu verfallen, möchte ich folgenden
Spruch der Behcrzigung empfeh-
len: Es gibt keine Sachc, die so
wichtig ist, daß nicht die Hochach-
tung vor dem Leser noch wichtiger
wäre. Schon weil er nicht „folgt",
wenn er sich geringgcschätzt fühlt.
(. Maiheft (9(2 _(65 j
SLimmfehler der Führen-
den
s gibt eine Unmenge von
Stimmfehlern in der Presse;
wir kennen sie, wissen aber auch,
daß sie in den meisten Fällen un-
heilbar sind, weil sie nicht aus dem
Kehlkopf, sondern von tief innen
stammen, von geistigen Mängeln
oder Charakterbresten. Daneben
glaube ich aber auch solche Stimm-
fehler zu bcmerken, die reine Be-
rufskrankheiten sind, solche, die
beim besten Willen und reinsten
Streben auch den Befugtesten
schleichend bcdrohen, wenn cr in
regelmäßiger Folge wiederholt in
der Presse öffentlich redet. Er
selber Pflegt sie nicht zu hören, der
Sffentlichkeit dagegen fallen sie un-
angenehm auf.
Da ist vor allem der schul-
meisterliche Ton. Dieser un-
angenehmen Longabe zu entweichen
ist fnr jeden, der durch die Presse
„erzieherisch" wirken will, außer-
ordentlich schwer; während ander-
seits die Lesewelt gcrade gcgen
diesen Lon ganz besonders emp-
findlich ist. Gibt es doch eine er°
hebliche Anzahl von Menschen (ich
gehöre auch dazu), die es über-
haupt wie eine Ungehörigkeit ver-
spüren, daß irgend jemand sich
unterfange, erzieherisch auf sie wir-
ken zu wollcn. Es gibt Men-
schen, wclche schlechterdings als
Männer nicht mehr pädagogisiert
werden wollcn und gelegentlich
auch vergessen, daß keine Zeitung
und keine Zeitschrist sich allein an
Menschen ihrcr Art wendcn kann.
Daraus folgt der Rat, die erziehe-
rische Absicht niemals gar zu auf-
fällig auf den Hut zu stecken. Be-
lehrung hingegen, die ist jedermann
nötig und jedermann willkommen;
belehrende Aufsätze oder Zeitschrif-
ten werden auch von keinem Ver-
nünftigen als schulmeistcrlich ver-
spürt. Die Frage drängt sich also
auf: Wo liegt der Unterschied zwi-
schen belehrendem und schnlmeister-
lichem Ton? Ich habe mir diese
Frage oft gestellt und schließlich
folgende Antwort gefunden: Schul-
meisterlich wirkt die Belehrung,
wenn neben der Belehrung der
Leser zu dringend ermahnt und zu
heftig gescholten wird, oder wenn
der Verfasser bei der Belehrung
mit unverhältnismäßigem Eifer
Nebensächliches mit Gewalt ein-
pauken will, bis der dumme Bub
es endlich weiß, oder wenn er eine
Privatmarotte hat, auf der er
immer und immer wieder herum-
reitet, wie auf einem Aufsatzthema;
und dergleichen mehr. Kurz: schul-
meisterlich gegen seinen Willen
wirkt derjenige Belehrende, der sich
durch seinen achtbaren heiligen
Sacheifer hinreißen läßt, seine
i Mitmcnschen wie eine Schulklasse
von Unmündigen abzukanzeln,
während er doch, höchstens ein
primus inter parss, erwachsene
Leute vor sich hat. Etwas besser
wissen berechtigt ja nicht dazu, den
Unwisscnden auszuzanken. Dieser
zänkischc, poltcrnde Belehrungsstil
ist, bciläufig gesagt, in andern
Sprachen als der deutschen, nicht
in solchem Maße gebräuchlich. Als
Heilmittel und Vorbeugemittel gegen
die Gefahr, in den Schulmeisterton
zu verfallen, möchte ich folgenden
Spruch der Behcrzigung empfeh-
len: Es gibt keine Sachc, die so
wichtig ist, daß nicht die Hochach-
tung vor dem Leser noch wichtiger
wäre. Schon weil er nicht „folgt",
wenn er sich geringgcschätzt fühlt.
(. Maiheft (9(2 _(65 j