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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,3.1912

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Heft 18 (2. Juniheft 1912)
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Nordhausen, Richard: Recht und Richter
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Rath, Willy: Strindberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.9027#0417
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geduldrge A.nterbrechungen schwerfälliger Zeugen (ach, wie erklärlich
ist diese Angeduld, und doch, wie verwirrt und vergewaltigt sie den
armen Kerl, auf den sie niedergehtl); der grobe Mechanismus des
Lides, durch den so viele Entscheidnngen gefälscht werden (wer zum
Eide gelangt, hat gesiegt); die mechanische Psychologie, die den Zeu<-
gen nach der zögernden oder bestimmten Art seiner Aussage einschätzt.
And zu welchem Zweck am Lnde all diese Irrungen und Wirrungen?
Ilm festzustellen, daß Hinz den Kunz beim Schafskopfspiel einen Schafs--
kopf genannt hat und dies nicht etwa hypothetisch verstanden wissen
wollte.

Es ist wahrlich nicht die Absicht dieser Zeilen, den geplagten Rich-
tern neue Plagen aufzuhängen. Niemand ehrt ihr im Kern undank-
bares, dabei unsagbar kraftfressendes und doch wundervolles, gott-
gesegnetes Wirken überzeugter und lieber als ich. Niemand neigt
williger als ich das Haupt vor diesen oft so reich Begabten und fast
immer sv Gewissenhaften, die sich klaglos an Sisyphuswerk vergeuden.
Ihuen zu Hilfe zu kommen, ihnen das rechte Arbeitsfeld zu sichern,
das ihrem Können und Wissen gebührt, ist öffentliche Pflicht. Ietzt
treiben wir Raubbau mit ihnen. Zu ihrem und zu unserm Schaden.

Richard Nordhausen

Strindberg

der Botschaft vom Tode August Strindbergs verstummt zu-
^ vörderst die verwirrend widerspruchsreiche Fülle gedanklicher Emp-
^ findungen, die dieser Nordlandsname sonst beschwor. Ein dunkler
ruhevoller Akkord löste da eine rastlose Folge kühner Disharmonien auf.
Nur das Bewußtsein durchströmt uns noch, mehr Trost als Trauer: ein
Großer hat großen Kampf vollendet, im tausendmal gerufenen Tod um-
armte ein Friedloser nun den Frieden, der alles Wünschen stillt.

Nicht als Triumphator zog er aus dem lebenslangen Kampf. Aus
hundert Wunden blutend, von dumpfer Verworrenheit bedroht, fast wie
ein Betäubter taumelnd, verließ er die Walstatt; kurze Abendstunden bloß
dauerte darnach das Aufatmen in Einsamkeitruhe. Uud doch war er ein
Sieger!

Einen „Dichterfürsten" nannten ihn einmal die Blätter, während des
grausam langen Sterbens, das auch dieser Reckennatur vorbestimmt war;
beim Erzählen seines lehten Lichttraums geschah es. Wie bitter hätte
er gelächelt, wenn das Wort noch zu ihm gedrungen wäre! Scines über-
legenen Geistes zwar war er sich wohlbewußt, auch unter den wuchtigsten
Bedrückungen seiner Seele. Und daß er seine Berühmtheit früh genug
crfuhr, geht gleichfalls aus seinen Selbstdarstellungen hervor. „Fürstliches"
aber hätte in seinem Dichterdasein weder er noch sonst ein Kundiger
zu erspüren vermocht. Es war ja ganz erfüllt vom vollkommenen Gegen-
teil des glanzvoll-Thronenden, gesichert-Mächtigen. Strindbergs Größe
nähert sich nic und nirgends dem irdischen Olympiertum, wie es in unsrer
Vorstellung mit der Lebenshöhe Goethes oder etwa auch nnsres nordischen
Zeitgenossen Björnson verbunden ist. Titanengröße kennzeichnet Strind-
bergs Lebenswerk.

Wer heute die Namcn Prometheus oder Faust beruft, um dicsen
348 Kunstwart XXV, s8
 
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