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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,3.1912

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Heft 15 (1. Maiheft 1912)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9027#0213
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stätigt; Heimann aber versichert
uns durch den Mund des Grafen
Barbaro des Gegentcils:

Der dort liegt, war ihr Feind,
nicht ich. — Wir haben einen Tag
versäumt

an dem Geschäft, zu dem wir auf
der Welt sind.

Begrabt sie! Und wir wolln zu
Schiffe gehn!

Das soll heißcn: nicht dcr zuerst sie
fing und aus ihrer Einsamkeit mit
sich riß ins wilde Meer dcr Welt,
sondern der, der sie ihrem Ele--
mente, dem toten Binnensee des
staats-- und gesellschaftsentfremdeten
Selbstgenusses, wiedcrgab, hat sie
entseelt und vernichtet . . .

Wir erkennen das Thema des
„Ioachim Brandt" wieder: der Ein-
zelne, der sich im Bewnßtsein seiner
einzelbürtigen Tüchtigkeit gegen
den gleichmachenden Gebieterwillen
der Gesamtheit auflehnt, er muß
am Ende — und das ist der Aus-
gang jener Komödie — bekehrt
und gebessert die Segel streichen,
oder er zerschellt und zerbricht wic
die jungen Badoers, die hinter der
Maske des „Feindes", der sie in
Bewegung und Anrast vcrsetzenden
Macht des Außenwillens, den
Freund und Bruder nicht er-
schauen, ihn, der an gesunderen
Menschen Wohltäter und Erlöser
hätte werden können.

Man sieht: an Ideen und Ge-
danken fehlt es diesen vier Akten
nicht. Aber das allcs bleibt so
verstrickt in dialektischer Abstrakt-
heit, daß es eben nur am Faden
der Lektüre, ciner einsamen, immer
wieder aufholenden und uachprü-
fendcu Lektüre möglich ist, sich aus
dem Labyrinth der Handlung ins
Licht zurückzufinden. Iust einem
sich gegen die Anfruchtbarkcit selbst-
genießlcrischer Isoliersucht kehren-
den Drama mußte es als aus-
gesuchter Fluch vorbehalten sein,

steif und starr in dem bloß Gedach-
ten und Papiernen steckenzubleiben.
Am das sinnlich und körperlich zu
gestalten, was in diesem fcin kul-
tivierten Kopfe an unausgetra-
genen Originalitätseinfällcn bro-
delt, reicht Heimanns Bildnergabe
im entfcrntesten nicht aus. Er
schnitzelt immer nur au den Zwei-
gen herum, nirgends trifft seine
Axt deu Stamm des Themas. Und
uun gar die Kunst des Bauens,
die dramatische Architektur ist ihm
ein mit ehernen Niegeln verschlos-
sencs Paradics: jeder Akt, jede
Szene, uneingedenk dcr vorausge-
gangencn Brüder, fängt beim Fun-
damentc wicder an. Nein, die
Bühne stößt diesen mit allen Ex-
trakten der Kultur übersättigten
Intellekt aus. Sie will ursprüng-
lichere Geister, die aus deu Quellen
der Muttcr Erdc trinken und ihr
Ohr näher am Puls des uatür-
lichen Lebens haben. Destillate sind
kein Saft, aus dem man Tragödien
braut. Friedrich Düsel

Lengyels und Biros
„Zarin"

Münchner Theater

eit Maximilian Dauthendey das
treulos-treue Liebesleben der
Kaiserin Katharina in loser Bil-
derfolge über die Bretter unsres
Schauspielhauses flackern ließ, spukt
die Lbronique 8canciaIeu8L weiland
des russischen Selbstherrscherinnen-
hofes in unserm guten München.
Nachdcm wir jetzt kaum im Hof-
theater Karl von Kaskels neue Oper
„Der Gefangene der Zarin" ge-
nossen haben, deren von Rudolf
Lothar stammendc Tcxtdichtung auch
mehr schauspiel- als librettomäßig
das Liebesabenteuer dcr Zarin Elisa-
beth mit dem edelmütig schwindeln-
den Nepräsentanten eines hochver-
räterischen Herzogs behandelt, lud
uns alsbald das Münchner Lust-

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