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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,3.1912

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Heft 15 (1. Maiheft 1912)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9027#0215
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Musik

Ehrenausschuß nicht gewußt haben,
mit wem man es da zn tun hatte.
Wie man ihre Namen künftig vor-
reiten wird, so haben sie sich selber
auf andere vorgerittene Namen ver-
lasscn, und Herr Werning verstcht
sich ja aufs Geschäft. Geht aber
diese Gefolgschaft so weit, daß kein
einziger der unterzeich-
netenHerren sich dieMühe
genommen hat, das „Fest-
spiel" zu lesen, bevor er scinen
Namen dazu hergab? So licgt die
Frage, denn dasz ein Mann auch
nur von einigem Urteil in solchen
Dingen die Mindestwertigkeit die-
ses sogcnannt patriotischen Stückes
mit seinem Phrasendreschcn, Dunst-
machen und Tamtamschlagen durch-
schauen muß, das ist keine. Zwar
hat Werning nach dem Kunstwart-
aufsatz das Alleralbernste verändert,
aber deshalb ist das „Werk" nach
Gehalt und Geist doch vollkommcn
dassclbe geblieben.

„Wir sind alle Bildungsfreunde,
daß es eine Freude ist. Wir ver-
achten, vom Kolportagcroman nicht
erst zu rcden, die Nick Cartcr- und
sonstige Schundliteratur, wie sich's
gebührt, und »bekämpfen« sie. Aber
wir öffnen dem fürchtcrlichsten
Schund mit Gruß nnd Verbeugung
die Tore, sofern er auf seiner Ge-
schäftsreise eine patriotische Fahne
trägt. Und bilden uns dann ein,
er würde von seinem Besuch als
Gastgeschcnk nur die patriotischen
Gefühle zurücklassen, nicht auch dic
Frcudc am Dunst, nicht auch die
Eitelkeit, die Narretei und das Bil-
ligste vom Billigen: die Sclbstan-
räucherung in Schwärmen und
Schwögen. Arbeit fürs Ganzc
brauchen wir, die stellt Leistnn-
gen hin; eine »Vaterlandsliebe«,
die sich von Rauch und Dunst
»nähren« läßt, ist selber nichts Bes-
seres und wird durch bengalische
Beleuchtung in allcn gangbaren

Feuerwerkfarben um kein Saatkorn
fruchtbarer."

Mit diesen Worten leiteten wir
seinerzeit* unsrc eingehende und
mit reichlichcm Material belegte Be-
sprechung des Werningschen „Fest-
spiels" ein. Nun werden die So-
zialdemokraten die Dresdner nicht
nur anslachen, was zu verschmcrzen
wäre, sie werden sagen: „seht, so
treibt ihr Kultur", und siedürfen
sie deshalb verspotten. Wenn auch
jedcr einzelne Veteiligte durch ir-
gcnd etwas entschuldigt ist: Wer-
nings Festspiele unter dem Protek-
torate des Königs und mit einem
Ehrenausschuß aus dcn höchsten Ve-
amten des Landes — wirken muß
das trotzdem wie eine Entehrung
des nationalen Gedankens. A

Berliner Musik

as charakteristische Merkzeichen
des verflossenen Winters war
eine auffallcndc Musikmüdigkeit.
Nicht auf seiten der Künstler — die
waren so eifrig wie nur je — ,
aber auf seiten des Publikums.
Wohl noch nie ist so ost vor leeren
oder künstlich gcfüllten Sälen kon-
zertiert worden, haben selbst be-
rühmte Namen ihre Anziehungs-
kraft versagt, wohl noch nie sind
die Geschäste der Theater so schlecht
wie hcuer gcgangen. Das ist zum
Teil die natürliche Folge der jahre-
langen Äberfütterung mit Musik,
zum Teil liegt es in den sozial-
politischen Verhältnissen der Zeit
begründet. Was „ziehcn" soll,
muß, wenn nicht sensationell, doch
mindestens spezialistisch sein, muß
einc besondere Marke haben.

Änter diesen Ämständcn ist es
nicht verwunderlich, daß die kon-
zertierenden Künstlcr nicht sowohl
in dcr Art dcr Ausführung wie in
der Aufstellung der Programme
ihr Hcil suchen. Gcschichtliche Er-

* Im ersten Novemberheft WO

l?2

Kunstwart XXV,
 
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