Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,3.1912

DOI Heft:
Heft 15 (1. Maiheft 1912)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9027#0230
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
kränze. Eine Pflanze, die stetig
ihrer Blüten beraubt wird, also znr
Hauptsache auf vegetative Fort-
pflanzung angewiesen ist, muß ver--
kümmern. Traurig wie das Schick-
sal dieser armen Märtyrer ist auch
das Los des stolzen Königsfarns.
Osmunäs regslis wird mit dem
Wnrzelballen ausgehoben und in
den Garten verpflanzt, wo er je-
doch nicht entfernt die Lebensbedin-
gungen seincs natürlichen Stand-
orts findet, ein Kümmcrling wird
und meist bald eingeht.

Soll ich an das Los der herr-
lichen Stranddistcl erinnern, der
„Dünen-Mannstreu", die in ihrer
ganzen Herrlichkeit nur Altere von
nns überhaupt noch geschen haben?
Bald wird sie vielleicht in den
Florcn cinen Totenschädel bckom-
men und die Bemerkung: „ausge-
storben". Besser hieße es: „ausge-
rottet durch die kindischen Tricbe
der Badegäste". Wir „Verwalter
des Heute" haben die Verpflichtung,
den späteren Geschlechtern das Land-
schaftsbild so zu überlicfcrn, wie wir
cs vorfanden, nicht ausgeränbert,
und ausgepowert, sondcrn eher rei-
cher als ärmer. Soll Wandcl ge-
schaffen werden, so muß die Schule,
die Kirche, die Presse mehr als bis-
her gegen den Unfug mobil gemacht
werden. Ign.

ArbeiLslosen-Versiche-

rung

ibt es ein Necht auf Arbeit?
Gewiß, aber nur auf solche
Arbeit, die die Arbeit andercr nicht
beeinträchtigt. Wenn in einem ge-
gebenen Augenblick das Angebot an
Nahrungs- und Unterhaltsmitteln
derart ist, daß die Gesamtsumme
der dcn bcschäftigtcn Arbeitern ge°
zahlten Löhne gsrade ausreicht, ihre
notwcndigcn Lebsnsbedürfnisse zu
befriedigen, so wird sich dies sofort
ändern, wcnn sOOO Beschäftigungs-

s. Maiheft l9i2

lose in irgendeinem Produktions-
zweig Arbcit finden, der nicht der
Erzeugung notwendiger Nahrungs-
oder Ilnterhaltsmittel dient; denn
in diesem Falle wächst die Zahl
zahlungsfähiger Konsumenten, aber
nicht die Menge der Lebensmittel.
Dercn Preise steigen folglich, so daß
sich alle einschränken müssen, damit
jene jOOO früher Unbeschäftigtcn
nicht Hungers zu sterben brauchen.
Eine Gesellschaft kann aber nicht
daucrnd bestehen, ohne dem Ein-
zelncn das Recht zu geben, in erster
Linie für die eigene Existenz zu
sorgen. Ein Recht auf solche Arbeit,
die bei andern Mangel bedingt, die
parasitisch von fremden Kräften
zehrt, kann es also nicht -geben.
Werden aber jene sOOO Beschäf-
tigung heischenden Arbeiter in Pro-
duktionszweigen verwandt, die not-
wendige Lebensbedürfnisse befricdi-
gen, so ist die Wirkung ganz andcrs.
Ist derWert ihresArbeitsergebnisses
nicht größer als der Wert dessen,
was sie für ihren eigenen Anter-
halt verbrauchen, so haben sie
wcnigstens aufgehört, schmarotzer-
haft von der Wohltätigkeit dcr Ge-
sellschaft oder von ihren frühern
Arbeitsergebnissen zu zehren; auch
dann ist die Menge der auf den
Markt gelangenden Unterhaltsmit-
tel schon um so viel größer gewor-
den, als sie früher davon entnah-
men, ohne es durch Arbeit wicder
zu ersetzcn. In dcr Regel werden
sie aber mehr erzeugcn als sie ver-
brauchcn, so daß das Angebot an
Untcrhaltsmittcln um weiteres zu-
nimmt. Natürlich sinken nun die
Preise für allgemeine Verbrauchs-
artikel, die Kaufkraft der Löhne
wird gesteigert, die Lebenshaltung
der arbeitcnden Klasse hebt sich.

Auf diese Weise erklärt es sich,
warum unter Amständen erfolg-
reiche Streiks schlecht gelohnter Ar-
bciter die Produktion im ganzen

j37

Handel und
Geiverbe
 
Annotationen