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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1927)
DOI Artikel:
Popp, Joseph: Böcklin zum Gedächtnis: (geb. 16. Oktober 1827)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0025

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kämpfenden Zenkanren Gelärme und dröhnender Fall? JsL nicht übermükiger
Meereswellen aufklatschender Skurz wre das Galoppieren fchwerer Seepferde,
haben wir es auf dem sommerlichen Meere noch nie erlebt, daß das Spiel
der Dclphine u. a. uns wie der Nüjaden und TriLonen Spiel erfchien? Liegen
nichL ofL weiL draußen in der See vereinsamLe Blöcke, auf denen wir uns
Böcklins Fabelwesen in Liebesspiel und LiebessehnsuchL oder in fchweigender
SchwermuL denken können und möchLen? Wieviel Unergründliches sprichL aus
den Augen, den räkeligen Gliedern dieser MeerfchönheiLen, wieviel hilslose
BrunfL und fcheues Werben aus diesen Panen und TriLonen? Wie läßL uns
ihr Pseisen und FlöLenspiel und Mnfchelblasen gespenfLifche Erlebnisse am
brodlig heißen MiLLag, in der EinsamkeiL des Meeres lebendig werden, wie
wird durch sie die Nakur wieder ursprünglich, unberührL und zugleich voll
Poesie, wie erfchcinen diese Wesen als solcher WelL einzig berechLigke Be-
wohner? — All das iß eine andere ArL des Erderlebens als die pantheifLifch
wehmükige und nichL selken wehleidige Weise der denkfchen Nomantiker, ifL
auch fLärker, unmiLLelbarer, packender als ekwa bei vcrwandten GefLalten eines
Schwind — ein bedeukender SchriLL enkgegen der Nakurnähe und andererseiks
doch ganz im Dichkerifchen verbleibend. DamiL sind diese FabelgefLalLen etwas
anderes als bloße Skasfage, die auch wegbleiben kann oder nur eine gewisse
Bereichcrung gibk, sie werden ein Wescnsteil der jeweiligen LandfchafL und
befriedigen ungleich Liefer als Böcklins Lrauernde Frauen an einsamen Ge-
ßaden, als der Mörder und die Erinyen zur Versinnlichung des fchaurigen
Moores, als der ReiLer im herbftlichen Wald und dergleichen. In diescn
srüheren Landfchaften sind die GefLalten mehr die BerdeuLlicher dcr lyrifchen
Nakurftimmung; nun sind sie wie die Bäume und Sträucher und Felsen und
das Wasser, wie Wies und Wald und das Gebirge selbft: sie gehören zu
deren Raufchen und Lispeln, Stille und SchwermuL, Freude und Fnbel und
BedrohlichkeiL. Alles LiLerarifche ifL von ihnen abgesallen, das den verwandten
Bildungen der RomanLik mcift anhafteL.

llnd alles das wird voller versinnlichL, wird lebensunmiLLelbarer und glühender
durch die Farbe. Der eigentliche Böcklin hak sich vom Tonigen und seinen
Stimmungen ganz frei gemachk, er liebL die klare, Liefe, saLLe, glanzvolle Lokal-
sarbc, die edelßeinhasL aus der DunkelheiL aufglühL, fansarenmäßig festlich
lockk, beraufchend ausklingt. Ein Klang wird nichL selten daraus hörbar:
hell aus dem Messinggelb, dunkel aus dem Purpur, grell aus dem Zinnober,
fchwermütig aus dem BioleLL, mild und weich aus manchem Grün. Manch
ein Bild ift nicht nur eine Farben-, auch eine Klangsymphonie. Diese Farbe
haL nichts miL der durchlichLeten, leichten, vibrierenden modernen Farbe gcmein,
sie ift miL der der alken MeifLer verwandL — auch in der Vcrlässigkei'L, Nein-
heiL und SchönheiL ihres Pigments wie in der ungemeinen Zuverlässigkeit
ihres AufLrages: in Tempera und L>l. Lange, ehe Grünewald entdeckL war,
wanderke Böcklin von Bascl nach Kolmar hinübcr und saß Lagelang vor
dem Jsenheimer AlLar, wie er die heitere FefLlichkeiL pompejanifcher Wand-
malerci eingehend ftudierL haL. Er ift einer der ursprünglichften, ftärkften
Kolorißen deutfcher Malerei überhaupL und gehört zu deu erftcn Koloriften
fchlechthin — auch hier viclfach elementarifch und naLurhafL unbekümmerL, aus
dem ReichLum seines Wesens und dessen EigenwilligkeiL.
 
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