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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1927)
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Mell, Max: Der Besitz der Bühne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0027

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durch unser Lebeu hiu Beharrendes handeln können; und in gewrssem Srnn wird
es kaum ckwas anderes sein als, wenn auch ekwa mik andern WorLen, eine Er-
innerung daran, was auch schon frühere ZeiLen, die diese EinrichLung zur
Höhc führLen, an ihr besaßen. Aber es fcheinL sich auch unendlich abwandeln
zu lassen, was die Menfchen, in der Folge der GefchlechLer, an den Dingen
haben, und so wird das Lebensgefühl des HeuLigen eine besondere SLellung
zur Bühne haben — und sich gewiß ganz vvn ihr abwenden, weng es dort-
LaLsächlich kerne Nahrung mehr vorfände.

Zedenfalls, eine SkäLLe des Bergnügens ifL das TheaLer und soll auch nichLs
anderes sein. Die Vorgänge auf der Bühne müssen eine Lufi im Zufchauer
erwecken, sonft haL er offenbar keinen Anlaß, das Theater aufzusuchen. Welcher
ArL aber ifi die LufL, die in ihm erweckL wird? Sie ift ganz beftimmt, und nur
dic Bühne vermag sie ihm in diesem Maß zu geben. Es ift die Lu ft am NwL-
wendigen. Es ift klar, daß der Zufchauer einzig durch die noLwendige EnL-
wicklung der Gefchehnisse auf der Bühne, die sich ihm zn Beginn der Vor-
ftellung darlegen und ihm gleichsam vorgefchlagen werden, feftzuhalLen ift;
werden sie willkürlich und kraus und wird er zum Widerspruch gereizL, so wird
er in diesem llnluftgefühl den Borgängen nichLs abgewinnen können und darauf
verzichLen, sie sich weiLer vorführen zu lassen. Denn der Zufchauer ftehL in
ganz besonderer Weise zu den Borgängen, deren vollftändiger äußerer und
innerer EnLwicklung er beiwohnt. Es wird durch das VorgeftellLe an etwas
immer GegenwärLiges, zu gutem Teil Gehermes in seiner Seele gerührk, an das,
wic cr zu Menfchen und Leben fteht, und das in ihm beftändig wirkL nnd fort-
spinnt, selbft wenn er sich davon abgelenkt vermeinL; und wo er immer sein
Schicksal betrachteL oder es zu betrachten und inncrlich zu bewältigen suchL,
wird es um das Erfchauen des NvLwendigen gehn. Die Organe des Geiftes
haben wie alles Lebendige eine KennLnis davon, wo sie heilendc und Lröftendo
Kräfte finden, und dic sind gerade in dem Erfchauen des NoLwendigen enthal-
Len. Das Gefühl für das NoLwendige ftellL sich sa mit dem Lebensvorgang
selbft ein, es ift im Blutkreislauf enkhalten, und so wohnL auch die Lnft am-
Notwendigcn dem BluLe inne. Wenn die Menfchen nun auf der Bühne, in
einem unwirklichen, aber wahren und von wirklichen Kräfken bewegten Bezirk
am Gefchehen sich entfalten und wenden sehen, dessen Notwendiges sie er-
fchauen, so wird sich in ihnen etwas regen, worin sie es zu innerlichft anerken-
nen und beftätigcn; sie werden mitatmen müssen nnd nicken: Ja, so ift cs,
so muß es sein, ich weiß es auch! — denn das Erfchauen dieses vorgeficllten
NoLwendigen kann nichL vor sich gehen, ohnc daß auch das Erfchauen des
cigenen Lebens und Lebenskreises, wie es in jeder Seele wach ift, zumindeft wie
von einer fernher sanft an den Strand rollenden TOelle erreicht würde. Ein
Gefchehen, das also geeignet ist, zu erheitern und zu bezaubern, zu ergreifen, zu
crfchüLLern und aufznwühlen; das aber nicht erfchrecken und verftören, nicht
FurchL und MiLleid erwecken will, und nichks sonß, was zu unverzüglicher
Aktion herausfordcrLe; — das also das Ich, nicht aber das Selbft berührt,
zur Luft bcrührt, — auch ohne daß es bis ins Bewußtsein dränge, worin dicse
Luft bcgründeL ift, denn es ift nicht nötig, daß die Menfchen sich dessen bcwußL
wcrden, daß, was da mit ihnen gefchieht, nötig ift, daß es gefchiehL.

Dieses NoLwendige nun herzuftellen, aus dem Luft hervorgehcn soll, ift die Auf-
 
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