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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 1 (Oktoberheft 1927)
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Mell, Max: Der Besitz der Bühne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0028

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gabe derer, die die Menschen für zwei und drei Stunden in das Schauspielhaus
zu Gaste bitten: des Dichters der Vorgänge, die dargestellt werden sollen, und
der andren Künstler, die dies für den 2lbcnd besorgen. Eine leichte Aufgabe
ist dies nicht, und ist sie in ihren Grundlim'en, in der likerarischen Vorlage, ver-
fehlk, so ist es zwar nichk unmöglich, bedarf aber besonderer Anstrengnng, die-
sen Mangel gukzumachen. Das erfolgreiche Aufkreken cines großen Schau-
spielers in einem innerlich halklosen Bühnenstück ist so ein oder wenn

cin starkes Bühnenstück von unzulänglicher Darstellung „nichk umzubringen
ist". Die Einheit des Ganzen aber bleibk gestörk, und es sind ja frcilich un-
zählige Fälle, in denen ein Teil des Dargebokenen schwächlich geblieben und
nichk fähig isi, jene Luft am Nokwendigen hervorzurufen. Sehr rasch wird
das eine Borstellung zu fühlen bekommen, wenn diese Lust unbefriedigk bleibk,
und an folchem Abend kann man m'chks so erregk und gekränkt hören als: Das
ist unmöglich. Jn dcr Mehrzahl der Fälle liegk es bereiks in der Grundlage,
an unsercn Bühncnstücken, das heißk also an deren Verfassern; denn was er
als nokwendig ansiehk, machk den Mann, und prüft man, was über ein Spiel-
jahr aufgeführk wird, daraufhin nach, so ist diese Anschauung vielfach so
dürfkig, daß man sich nicht wundern kann, wenn unsere Bühnen aus dem
Sich-frekken-müssen nichk herauskommen, da den Zuschauern eben ihre Lust
nichk ausrcichend befriedigk wird. Es ist ja so, daß der Dichter, der von der
Bühnc sprichk, von besonderer Breite und Mächtigkeik scin und eine reife An-
schauung vom Leben haben muß, denn die Bühne krägk nur volles gegenwärki-
ges Lcben; Schemen geben die Unlust, daß sie anßerhalb des Motwendigen
stehen. Dic wirklichen und wahrhafken Dramatiker haben immer Erfolg ge-
habk, sie haben ergriffen, was nokwendig war, wcil ihre Wurzeln so kief in
das Leben und in die Zcik reichken, daß sie es daraus emporsogen; die Men-
schen haben es sogleich erkannk und ihre Lust daran gehabk.

Aber cs verstehk sich, daß das Nvkwendige nicht allein aus der likerarisch fest-
gclcgkcn Vorlage hervorzugehen hat, sondern daß dies von allem übereinstim-
mend auszugchen hak, was sich auf der Bühne zeigk; in allem dem Sinnlichen,
in das sich das Geistige kleiden muß, wenn es Kunst sein will. Nennen wir
dieses das Schaubare, so erhebk sich die Frage: welchc Ark des Schaubaren ist
cs denn aber, welche der Bühne allein eigen ist? Es ist das konzenkriert
Schaubare. Dies ergibk sich sogleich aus jener Verpflichkung, ein Not-
wendiges hinzustellen, welches an sich ja bereiks aus dem Nokwendigen im
Lebcnsablauf verdichkek sein muß. Es ergibk sich aber auch aus allen ferneren
Bedingungen, unker denen die Darstellung auf der Bühne überhaupk zustande
kommk. Aus dem Wesen der Schauspielkunst, dic eine aus besonderen Kräf-
ten stannncnde Zusammenfassung des Menschen vorausseHt; aus den Mög-
lichkciten, wie äußere und innere Eigenschafkcn des darstellenden Künstlers für
das Augc enkhüllk und unkerstüHk werden, wie Raum und Lichk zur Gestalkung
cineö Ganzen behandelk werdcn: cines vollkommen einheiklichen, lückenlosen
Gewcbes von Nvkwendigem. Das konzentrierk Schaubare also im GegensaH
zum cffundicrk Schaubaren, wie es heuke in den Lichkspielhäuscrn gezeigk wird:
das sich rcchk eigenklich dem Chaos gegenübersiehk, ohne irgendcine andcre
Verpflichkung als dic, abzuwechseln, noch jedes Ding und Geschöpf zwischen
Dinnncl und Erde in seiner unverwandelten Gestalk heranbringk oder heran-

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