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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 6 (Märzheft 1928)
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Eberlein, Kurt Karl: Peer Gynt: zu Henrik Ibsens 100. Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0420

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Krougiit geririauischrr Dichtung! Durch allc Häutuugeu, Waudluugeu, Ver-
luununungeu spricht imiuer ivicder der große, richtende, rechteude, bekeuucndc
Dichter, für deu Dichteu hieß: Gerichttag mit sich halteu. Dies Theater hat
uicht uur seiue svmbolische, typologische Realität. Nbch lebt uuker alleu Gc
sralten der höllische tilbgrund, dem das mittelalterliche Spiel den schwarzen
Engel, deu Teufel eutsendek. So rauut und runk hier aus Spalten uud
Schruudeu iu deu blaueu uordischcn Sommertag der Gegenioart das alkc
mytheu- uud märchenhaste Geistcrreich dcr Sage, krollhaft gcschwäuzk, schauer
lich vermcuscht, bös und begehrlich, heimlich gemein, das Getier der Seele.
Das uordische Elcmentarreich, weiblich männlich, wie iu Goyas Capricchios
uiw schauerlicheu Waudgemäldeu, Nachkouimeu jeues christlicheu Hölleu
getiers aus Grüucwalds oder Balduugs Welt, fraHenhaft, maskeuhaft, moder-
uisierk. Die Dirucu des verlvrcneu Sohnes, die so bald zuni galaukeu Tafel-,
Bordell- uud Gesellfchaftsbild werdcu und fchlicßlich im Skillebcu verendeii,
wachsen hicr uoch eiumal gierig aus Senner- und Bergwelt zu dryadischen Ge-
slalkeu der Lust. Wie bald eutschwindek dcr uordische Spuk und verwandelt
sich im Gesellschaftsdrama zu galauten Salondamen problemakifcher und
iutellektiieller Natur, die Piftoleu fchießen, Bücher leseu und geißige Kiuder
habeu. Der Frcmde, der mit dem Dampfer kommk, der immer wieder die
Frau voni Mecr hiuauszieht, ift der leHte Troll aus Roudereich. Die moderne
Mythologie Ibseus und seiner Gcfolgschaft hat uralke Ahneu. Was hat doch
alles dieser Nubek, der sich selbst zuleHL mit grausanicr Selbsterkenutnis als
dcu verzweifeltcu Bildhauer der MeuschentierfraHeu darftcllte, was hat doch
dieser Ibchu "lles vorweggcuommeu: Die höhnifche Abrechmmg mit
der Wisseuschaft, mit dem Materialismus, Epotismus, Historisnms
dcr Zeit, mik Kolouialschwiudcl, Missionsimport, Sklaveuhandel, Iu
dustrie, Imperialismus uud Preußentum, mit alleni was dauu NieHsche
zertrüuuuerkc, mit allem was wir heutc wicder bekämpfen uud verachten!
Er wollke Norwegeu trcsfeu, die Nationallüge seines kaufmäuuischeu, ehr
geizigen, standesengeu Volkes, uud er hat alle gekrosfeu, alle Völker, allc
Europäcr, ja jedeu Meuscheu, der auszieht uud heimkehrt, der sich selbst uud
die Liebe verrät, deu Siuueu uud Leidenschafteu gehörk, der Welt uud deur
Geld, der Ichsucht uud dem Ehrgeiz uud deu großeu Kuopfgicßer vergißk, dcr am
Kreuzwcg steht uud uach dem Zcuguis fragt und uur um der Liebe willcu verzeiht!
Diesc Kuuft ist Lebenskmyt, Wcrtlüust, Bekcuutuiskunst, eine Kuust für das
Lebcu, für seiue Lebcnsweisheit uud Lebeuswerte, für das Lebenswerte, cine be
keuuerische, bckeuueude Kuust! Volkskunst, soferu s'ie aus dem Volkc, aus
einem Volke und für ein Volk erwuchs. Wer je dies Spiel gcseheu hat,
weiß, wie es crgreift imd erfaßt, preßt uud eutläßt, quält uud befreit. Man
kami es als „Theaterftück" spielen, uaturuah mit Bildern und Bildwäudcii,
Figuriueu und Hütteu, Bergeu uud Lüfteu. Man kauu cs auch als Spiel
spieleu, mit Zeicheu und Zeicheuwäudeu, Maskcu uud Attributen, Gold und
Silbcr, Licht uud Dunkel. Man kauu cs wic ein Märchcu, wic eiu Bilder
buch, wie eiu Traumbuch, wie eine Bilderschrift spieleu. Es ift immer groß,
immcr Dichtmig, immer Kunft! Von zarter Musik gcrahmt - und Griegs
Musi'k setzt zarke Töuc und Farben, Schatteu und Nebel voraus — oder
ohuc Musik, im Mitkelteile buut uud bilderbogenmäßlg — ich erklärtc

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