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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

DOI Heft:
Heft 6 (Märzheft 1928)
DOI Artikel:
Bier, Justus: Betrachtungen über die neueste Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0423

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diescin Verzicht wurde die Bahn srei gemachk für einen ungleieh sorgsältigeren,
handwerksmäßig technischen Bildaufbau. Die Malerei kehrt damit zu dcn
Prinzipien des Bildaufbaus zurück, welche die Malerei des 15. nnd beginncn-
den 16. Iahrhunderts anwandte, die ja auch darftellerifch ähnliche Ziele ver-
folgke.

Anch bei Dürer ift fchon die ausfallende Tatsache bemerkt worden, daß neben
den hart-plaskifch durchgeßalteten Gemälden Zeichnungen und vor alleni Aqua-
relle von größter Lockerheit, ja von fcheinbar impressioniftifchem Charakter ftehen.
Die Erklärung liegt in Prinzipien, dic denen der neueften Malerei verwandt
srnd: die Tatbeftandsaufnahme, die erfte Fixierung eines Eindrucks, wird grund-
sählich anders behandelt als das Bild. Im Bild fchießk alles zusammen, wird
ftreng und feft, was in dcr Skudie locker, frifch, lebendig aufgefaßk wurdc.
Das „Lcbendige" soll gar nicht ins Bild hmübergenommeri werden, dem
seinem formalen Charakter gemäß — das Zuftändliche nnd Gehaltene, das
Verdichtetc rmd Streuge zugewiesen wird.

Es wird in diesem Zusammenhang interessieren, von dem Geftaltmrgsverfahreii
einzelner Maler zu hören, weil hicrdurch am rafcheften der gegenseitige Bezug
von Studie und Bild deutlich wird. Für Carl Großbergs Architektur
bilder z. B. ift der Ausgangspunkt faft immer ein an Ort mid Stelle aufgc-
nommenes Aqnarell. llnd Aquarell will hier heißen: eine mit Farbe überlegre
Federzeichnung, m der sich also dic zeichnerifch-plaftifche mit der farbigen Tat-
beftandsaufnahme deckt. Natürlich entsteht nichk jcdes Aquarell mit der Absicht
bildmäßiger llmsehung, und daher wird ein Motiv, das zu solcher reizt, in
der Ark, wic die Studie aufgenomnien ift, die spczififch bildmäßigen Eigen
fchaften vcrraten. Die bildmäßige llmsetzung der Studie ist fchon Angelegenheit
des Ateliers. Die Straffung und Spannung der in der Stndie cnthaltenen
Formteile zur Bildzeichimng sichert dcm Gemälde seinc Eigengesetzlichkeit
gegenüber dem Na^xxjndruck. Die Bildentftehung >elbft, die Überkragimg
der Pause auf dcn sorgfälkig bercitcten und übcrfchlistenen Grund, das >chichteii
weise Weitertrciben des Bildes, dessen endgültiger Eindruck erst langsam aus
imnier neuen Übermalungcn sich entwickelt, bis fchlicßlich der glänzciide Fimio
dcm Bild das Emailhafte, klar Durchsichtige gibt, das ans der Lichtdnrchlässig-
keit dcr in düimen Schichten aufgekragcnen Farbe resultiert, soll hier nicht ans-
führlich erörtert werdcn. Auch nicht die Rückkehr von der Lcinölmalcrei znr
Harzöl- und Tempcramalerci und ihrcr gemifchten Amvcndmig, dic alleiri dic
Feiiiheit der zeichnerifch-plastifcheii Durchbildmig zuläßt, wie sie in der Malcre,
der Dürer-Generation mid des 15. Iahrhnnderts zu finden ist.

Dix geht bei der Vorbereiknng des Bildes noch umständlicher als Großbcrg
zu Wege. Ein kleines Gemälde, das Bild eines Knäbchens, das uackt in dcn
Kissen licgt, ist mit cinem ganzen Pack Stndien vorbcrcitck ivordcn: 2luf
iiahmen des weinenden Kinderköpfchens mid der eingekrallkcn Häiidchen, in dcncn
inrmer neu der 2lusdruck, die Wendung des Kopfes, dic Spamnmg der Zügc
beobachtet und miL größter Treue vom Gristel zeichnerifch festgelegt wird,
farbigc Kompositionsskizzen ncben diesen die Forni sorgfältig abtastcnden mid in
Li'nien fassendcn Zeichimiigen, fchließlich eine Art „Karkon". Die farbigen
Kompositionsskizzen erproben mik ein paar jagendcn Strichcn, die bewnßt jcde
qenancre Festlcgung vernieidcn, nnd ciner flüchkigen farbigen Jliistnfchimg der

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