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Mannheimer Abendzeitung — 1846

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No. 1 – No. 30 (1. Januar – 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44008#0082

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_ von dem erreicht, was man erreichen will.

. 76

hat, und zwar in etner Ausdehnung, wie auf dem vorigen Landtage die Arbei-
ten es nicht erlaubt haben. Ich sage in der Polizeigewalt, wie ſie nicht allein
bei uns, sondern leider gegenwärtig in ganz Deutschland besteht, liegt das
Hemmniß der ganzen nationalen Entwicklung des Volks, weil sobald sie unter
irgend einer Form aus der Elastizität der Zeit hervortritt, die Polizei sogleich
mit allen ihren Schergen hinter her iſt, um sie beim Kopf zu nehmen, irgend
eine Verordnung aufzuſpüren, oder ein Verbrechen zu erfinden, um diese Le-
bensentwicklung zu heinmen, weil ſie überall nur Gefahr und Umſturz wittern.
Ich sage aber, der Umſsturzmacher, der Spektakelmacher iſt die Polizei selbſt,
wi ſie keinen Glauben an den Menſchen und an seine natürliche freie Ent-
wicklung hat. .

Meine Herren! Ich könnte Ibnen auch Beiſpiele bringen; wir haben er-
leben müſſen, daß die Polizei, wo der Richter einen Mann freigesprochen hatte,
ein eigenes Verbrechen erfand, um denselben unter der Rubrik des Kardinal-
pyerbrechens, „Störung der öffentlichen Ordnung- zu strafen. Alle Verbrechen
sind Störungen der öffentlichen Ordnung, ~ allein was ſich unter das Ge-

etzbuch nicht eignet, muß unter dieſer Rubrik zur Beſtraſung kommen. Auf

der andern Seite entzicht ſie aber auch durch diese maßloſe Niederdrückung und
Bevormundung des Bürgers nicht nur vom geiſtigen Leben den besten Saft,
sondern zerſtört auch durch ewige Vexaiionen und Bedrückur gen das ganze Ge-
meinde-, Gewerbs- und Familienleben. ~ Denn, ich sage Ihnen, der Weck,
bevor Sie ihn in den Mund stecken, muß, ich will dieses beweisen, mindeſtens
200 Polizeivererdnungen durchlaufen. So iſt die Polizei überall zur Beſchrän-
kung da. Leute, sei es aus England, der nordamerikaniſchen Union oder an-
dern freien Staaten, die sich einige Zeit in Deutschland aufgehalten, haben mir
gesagt, ſie seien froh gewesen, als sie die deutsche Gränze wieder hinter ſich

. gehabt hätten und wieder in ein Land gekommen ſeien, wo ſie keinen Polizei-
diener mehr geseben haben. q

Ich unterſtüte die Motion aus vollem Herzen, und werde bei der späteren

ésvügh hierüber dem Polizeiſtaat seine gehörige Würdigung zu Theil werden
aſſen. § .

: Buhl: Ich bin von der Ueberzeugung durchdrungen, daß durch die Art
und Weiſe, wie bei uns die Polizei organisſirt iſt, das Gegentheil von dem er-
reicht wird, was man erreichen will. Meine Ucberzeugung 1ſt nicht aus der
Luft gegriffen, sondern aus dem Leben geschöpft. Ich kenne einen Staat, wo
keine Strafgewalt der Polizei beſteht, und umgekehrt, wo die Polizei eine große
Gewalt hat. Wenn der Hr. Regierungskommissär bemerkt hat, daß bei uns

.. der Polizei nur eine kleine Strafgewalt übertragen sei, so erwidere ich ibm,

wenn dieſe Srrafgewalt in einzelnen Fällen auch unbedeutend iſt, so wird sie
aber dadurch groß, daß sie sehr häufig vorkomme. Vier Wochen G ffängniß

_ ſind für Jedermann, der kein Liebhaber vom Einsitzen iſt, keine Kleinigkeit.

Ich wiederhole, durch die Strafgewalt der Polizei wird gerade das Gegentheil
Man will der Polizei ein Ansehen

verschaffen , allein ſie erhält Anfceindu ng von allen Seiten. Sie wird als |

die Verfolgerin der bürgerlichen Frcibeit angesehen, und dieses wahrscheinlich

noch in höverem Grade, als es wirklich der Fall iſe. |
_ Das iſt aber nur dem Umſtand zuzuschreiben, weil sie Strafgewalt hat.
Nehmen Sie ihr diese, fo wird sie gleichfalls im Anschen stehen, wie in Rhein-

baiern, wo die Bürger keine Bedrückung durch die Polizei fühlen. Die Poli-

jet ſucht dort blos die Verbrechen auf und bringt sie vor Gericht. Man fin-

det dort nicht die Anomalie, daß man zweierlei Rechtspflege hat, eine admini-
ſtrative und eine juristische. Jeder, der auf polizeilichem Wege beſtraft worden
iſt, sagt: es iſt mir Unrecht geschehen, und man glaubt ihm gerue und sagt,
der Mann iſt verfolgt worden, weil er, vielleicht bei einer Wahl dem Amt-
mann entgegengetreten iſt. Das iſt einmal eine ins Blut übergegangene feſte
Meinung, uud ſie wirkt immer bewegend und aufregend fort. Es iſt eine Art
ropaganda, denn ſie bringt dieſelbe Wirkung hervor (Rind eſchwender:
ann muß man ſie loben.) Sie will zwar einen audern Zweck erreichen, ~
aber das iſt ihr Erfolg. : . . 91.9

Ein großer Meisler in der Polizei, der ſich beſtrebte, die Regierungsge-
walt feſt zu gründen, Napoleon, ~ das wird Niemand läugnen hat die

Justiz von der Adminiſtration getrennt, und kein Versuch wurde seither gemacht,

ie wieder zu vereinigen. (Weizel: Das iſt durch ganz andere Mittel ge-
<ehen.) Nun, durch andere Mittel, das will ich gerade nicht abläugnen,
Haber doch nicht durch dieses Mittel. st i . |
. v. Itzſtein: Die Motion des Abg. von Soiron behandelt einen höchſt
wichtigen Gegenstand, von dem ich auch schon früher in der Kammer gesagt
habe, daß er bei dem durch unser deutsches Vaterland fortschreitenden Geiſte
nothwendig zur Sprache kommen werde und müßte. Es iſt die maßlose und
immer maßloſer werdende Polizeigewalt. In ihr, meine Herren, erkenne ich
eine der Hauptquellen des Mißvergnügens, eines bis zur Unzufriedenheit ge-
. Ç steigerten Gefühls. Sie iſt es allein, wenigstens zum größten Theil , welche
ein allgemeines Mißbehagen unter den Bürgern verbreitet; denn ſie iſt es,
welche jede freie Bewegung der Bürger hemmt; sie iſt es, welche jede Handlung
der Bürger bevormundet; sie iſt es, welche Strafen erkennt, die, nicht begrün-
det in dem Gesetz,, manchmal unbegreiflich sind, welche von der Persönlichkeit
des Mannes, der die Strafe ausspricht, ja leider kann man es sagen, von
der Willkür deſſelben abhängen, und eben darum keine Wirkung haben, wie
jene, welche der Abg. Buhl ganz richtig bezeichnet hat. Daher kommt es denn
guch, daß der Wunſch, es mögen die Polizeiſtrafen, da, wo ſie verdient wer-
den, nicht mehr auf die Weise, wie jetzt, sondern durch den Richter ausgespro-
<en werden, ein allgemeiner iſt, und aus diesem Grunde trete auch ich dem
Antrage bei , den Druck der Motion und die Verweisung in die Abtheilungen
zur weitern Berathung zu beschlicßhen. . ; :
Welter: JIch unterſtüte ebenfalls diesen Antrag. Ich halte die vortreff-
lich ausgeführte Motion für äußerſt zeitgemäß. Die Grundsäte will ich nicht
ausführen. Das Uebel iſt aber durch Verletung der Grundsäte auf einen
hohen Grad geſtiegen. Man kann dies widersprechen und man wird vielleicht
fagen : und wenn zwanzig solche Polizeiverletnngen, wie sie der Abg. v. Soi-
ron vorgebracht hat, aus ſedem der verschiedenen Regierungsbezirke aufgeführt
würden, –~ wer weiß , ob dies Alles währ, ob man nicht getäuſcht iſ! Ich
sage Ihnen aber Jemand , der es weiß, daß es wahr iſt: das iſt das badische
Volk vom Bodensee bis an den Main.

Nachdem ich neulich meine Motion begründet hatte, habe ich selbſt den Dank

von Geſchäftsmännern aus verschiedenen Theilen des Landes erhalten, und man
erklärte mir, daß das Uebel täglich im Wachsen sei. Die weitern bei der Kam-
mer eingekommenen Adressen unterſtüten gerade meine Motion aus dem Grunde,
weil das Uebel auf einen ganz außerordentlichen Grad gestiegen iſt. Meine
Herren, Da hilft keine Schwulität, keine parlamentarische Kühnheit oder Frech-
heit des Abläugnens. Ich sage nochmals : das Volt weiß es, daß diese Poli-
zeiwillkür im Wachsen iſt. Mehrere achtbare Anwälte haben, um zu bestätigen,



.die fs Zittels Motion ausgesprochenen Wünſche und Forderungen realiſcrt ſehen
. möchten.

Unterſtüsung von Welcker’'s und Zittel's Motionen ein. Die Motion
Zittel's auf volle Religionsfreiheit hat indeß natürlich auch ihre Gegner und

miäßigkeit einer solchen überzeugt und für das Einbringen des vom Abg. Rin-



men. Was die Tendenz und innere Haltung der Zeitſchrift angeht, so will die.



daß man keinen Glauben an die Verwaltungsbehörven hat, verſichert, ſie könn-
ten es nicht über ihr Gewiſſen bringen, den Leuten für Vorſtellungen an diee..
Behörden Geld abzunehmen, weil ſie doch in der Regel nichts helfen.. So
wahr iſt es, was in dieſer Beziehung der Abg. u. Soiron gesagt hat. Ih
wiil damit keineswegs geſagt haben, es sei absolute Bosheit einzelner Beamten
oder böſer Wille der Regierung, daß dieſes Uebel wächſt ~ es liegt tief in de
Natur der Sache. Man hat leider bei uns nach einem falſchen Syſteme, vas
sich hie und da geltend macht, vorzüglich die Verwaltungsbeamten in Conflite.
gerufen mit der politischen Freiheit. Man hat den würdigen und edlen Grunn-
sätzen, welche der Abg. Peter bei seinem Eintritt in dieſe Verſammlung ben.
kannte, nicht gehuldigt, sondern im Gegentheil durch die Beamtengewalt de
Freiheit den Krieg machen wollen; und da diese Freiheit stets wächſt und kräf.
tiger wird, so rüſtet ſich auch die Polizeigewalt, kräftiger dagegen einzuſchreiteen;.
dieß liegt ganz in der Natur der Sache. Meine Herren! ich glaube, daß die
Motion in dieser Hinſicht sehr zeitgemäß iſt, weil wirklich das Uebel groß it.
und darum die bürgerliche Freiheit und Sicherheit eines Schutzes bedarf. Ih
glaube aber – um den für die Regierung bedeutendern und praktiſcheeen
Grundsatz geltend zu machen ~ das es, wie der Abg. Buhl ausgeführt haze.
für diejenigen Zwecke, welche man selbſt hie und da gegen die Freiheit im Auge
hat, in der That nichts Verderblicheres gibt, als gerade diese grenzenlose Ueber-
ſchreitung der rechtlichen Grundsäte. Es gibt Regionen in Deutschland, wo
weder die Bildung, noch die männlichen Grundsätze der Freiheit gleiche Aus-
bildung erhalten haben, wie in Baden.

Dort mag, vielleicht zum Verderben der Krone, durch die Polizeibeamten fir _
den Augenblick mit praktiſchem Erfolg der Grundsatz durchgeführt werden, die.
Bürger einzuſchüchtern und am Bändel zu haben; aber bei uns iſt dies niht.
mehr möglich. Es iſt vollkommen wahr, daß die Polizeigewalt und die Ene.
tiſzrs fee tettt Hr uecttt ve ten VU (t we e.
verdanken es der Polizei, daß hie hier ſo wohl gefüllte Räume haben und. dort.
die Bänke leer werden. Die Herren, welche die Polizeigewalt in ihrer gegen.
wärtigen Ausdehnung vertheidigen, verdienen nicht den Dank der Krone. ſiifo J
aus diesen Gründen der Gerechtigket und der wahren, selbſt für die Regierung
nothwendigen Staatsklugheit, unterſtüte ich die Motion. (Schl. f.]

Deutſchland. _

Karlsrnhe, 15. Januar. Eine Petition eines Theils der Conſtaner.
Bürgerschaft, welche geſtern von dem Abgeordneten Bader verleſen wurde, ha
ſowohl auf den Bänken der Deputirten als unter den auf den Gallerien he
befindlichen Zuhörern gro ße Sensation erregt. Sie geht nämlich auf nichts.
Geringeres, als vie hohe Kammer möge der von Zittel begründeten trefflichn.
Motion -„Gewiſsensfreiheit betreffend- nicht beiſtimmen. Die Mißbiligunng
zt. f laut ausgesprochen, daß der Präſident Ruhe zu gebieten, sich genno
igt sah. : Mm...
Mathy versprach, seiner Zeit nachzuweisen, auf welche Art dieſe Petition

zu Stande gekommen sei. Ö Auf jeden Fall wäre es am Platze, daß alle jene,
welche ſich für Gcwiſſensfreiheit überhaupt und in speeie für den Deutſch-Ka-
tholicismns intereſſiren, durch Adreſsſen an die hohe Kammer darzuthun sich be-
mühten, daß sie solchen Grundsätzen nicht beipflichten; und daß sie recht bald







. ** Karläaruhe, 18. Jan. Täglich laufen Mreſſent rr ſieticus zur

namentlich sucht ihr die ultramontane Partei an einigen Orten durch Aufbrin-
en von Petitionen zu schaden, und von anderer Seite glaubt unser bekannter
rofeſſor Stern ihr großes Ziel dadurch zu verkümmern, daß er in einer
s. g. Beleuchtung »die wahre Glaubens- und Gewissensfreiheit« als
bereits „errungen- hinſtelll und nur begehrt, daß der Staat den beſte-
henden Kirchen innerhalb den geschichtlich gegebenen Grenzen auf ihre rech te

mäßigen Grundlagen hin eine freiere Bewegung gestatten; „fremde Ele

mente“, worunter er offenbar den „Deutsch - Katholicismus““ und die volle
Berechtigung der Israeliten verſteht, will übrigens der Hr. Profeſſoer Stern
ſich nicht eindrängen lassen;. sie gefährden ihm den c<hriſtlichen Staa!
~ Der Antrag Welck er's auf eine Adreſſe an den Großherzog erfreut sich
jetzt der Zuſtimmung der großen Mehrheit der Commiſſion. Der Abg. Den- .
nig, welcher anfänglich gegen eine Adresse überhaupt sich erklärte, hat ſch
in Folge der genauen Erörterung der Sache in der Commiſſion von der Zweck-



deſchwender verfaßten Entwurfs geſprochen und gestimmt. Die Berichterſtattung
erfolgt wohl schon in den nächſten Tagen. ;

+ Darmftadt, 20. Januar. Das neue Jahr wird im literäriſchen Gee
biete auch von uns etwas Neues bringen; dem Vernehmen nach wird nämlieh
Dr. L. Noack in Worms, in Verbindung mit mehreren ſüddeutschen Gelehrte,
unter dem Titel „Jahrbücher für ſpekulative Philossphie-: eine bei C. .
W. Leske in Darmſfſtadt erſcheinende neue yhiloſophische Fachzeitschrift heraus- q
geben, welche ~~ wie es in der Einladung heißt, welche an die in Aussicht ge-
nommenen Mitarbeiter ergangen iſt. ~ die ſyſtematische Bearbeitung ſämmilicher
philosophischen Disciplinen sich zum Ziele ſeßt und auf die spekulative Durchdrin-

ung der empirischen Wissenschaften hinarbeitet. Als solche beabſichtigt das Jn-
ſitui denjenigen Männern der Wissenschaft, welche der Autonomie der philoso-





- phiſchen Idee huldigen und von derselben im Denken und Forschen geleitet wer- j

den, eine bisher vermißte Gelegenheit zu geben, in einem neuen, der freien Rich
tung in der Philosophie zum Mittelpunkt dienenden Organe ihre Stunden und y
Kritiken dem wiſssenſchaftlichen Publikum vorzulegen. Die Jahrbücher sollen in
vierteljährlichen Heften erscheinen und die Einrichtung die sein, daß zwei Dritte
theile eines jeden Heftes ſclbſtſtändige Abhandlungen und Monographien und das
letzte Dritttheil wisſſenſchaftliche Kritiken, im höchſten Sinne des Wortes, einneh--

selbe die Einseitigkeit der Cin Tübingen bei Fues) erscheinenden Fichte'ſchen Zeitre
ſchrift für Philoſophie zu vermeiden, die hinſterbenden Berliner Jahrbücher fürn
wiſſenſchaftliche Kritik zu erſegen und damit zugleich die Aufgabe der vor zwei
Jahren in Berlin projektirten, aber nicht concesſionirten „kritiſchen Blätter für
Leben und Wiſſenſchaft- zu erreichen streben. Wie wir hören, haben bereits-
eine Anzahl namhafter Gelehrten ihre Mitwirkung zugesagt und soll das erſteÖ
zr!lchrseK hun zu Ende März erscheinen. Der Proſpekt wird demnächſt/
ausgegeben werden. ; , 1-
Mus Unterfranken, 16. Jan. (Fr. J.) Für unsere Main-Schiffahrt
dürfte nun bald eine neue Aera anbrechen. Es wird glaubwürdig versichert,,
die schon seit Jahren unter den betheiligten Uferſtaaten in deren Betreff ge
pflogenen Unterhandlungen hätten endlich zum Abſchluſſe eines Vertrages ge-




 
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