Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 15.1972

DOI Heft:
Nr. 2
DOI Artikel:
Weitzel, Karl Ludwig: Primus Conventus Internationalis Studiis Latinitatis Humanisticae Provehendis: Lovanii 23.-28. VIII. 1971
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33065#0051

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Primus Conventus Internationalis Studiis Latinitatis
Humanisticae Provehendis
Lovanii 23.-28. VIII. 1971
Die große und zentrale Rolle, welche die klassische Philologie bis in die ersten
Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hinein im Wissenschaftsbetrieb der Universitäten, be-
sonders der deutschen, gespielt hat, ist ausgespielt. Wer daran noch zweifeln wollte,
den wird ein Blick auf die gähnende Leere in den akademischen Lehrveranstaltungen
für Altgriechisch eines Besseren belehren. Auch der noch andauernden Scheinblüte der
Lateinstudien wird die fortschreitende sog. Schulreform in Deutschland (und überall)
ein rasches Ende bereiten. Es wäre töricht, vor diesen nüchternen Tatsachen die Augen
zu verschließen und in Illusionen zu verharren. Muß man aber, wie es die meisten
Fachkollegen offenbar schon getan haben, in völlige Resignation verfallen und das
Ende der altsprachlichen Studien an Schule und Universität wie ein „ineluctabile fatum“
auf sich zukommen lassen? Keineswegs! Die klassische Philologie mit ihrer jahrhun-
dertealten Tradition, mit ihren reichen methodisch-didaktischen Schul- und Wissen-
schaftserfahrungen wäre berufen, gerade in der Problematik der Neugestaltung des
deutschen Bildungswesens ein gewichtiges Wort mitzureden, wenn ihre Vertreter die
nötige Horizonterweiterung vornehmen und zeigen, wie gerade das Lateinische (und
in anderer Art auch das Altgriechische - davon kann hier nicht die Rede sein) durch seine
einzigartige Rolle im ganzen abendländischen Geistesleben eine Plattform z. B. für
die Konstituierung neuer, fakultätsübergreifender Arbeits- und Aufgabengebiete an
den wissenschaftlichen Instituten abgeben könnte. Leider wurden bisher Versuche in
dieser Richtung nirgends in Deutschland gemacht. Diesbezügliche Anregungen, wie sie
z. B. für die neue Universität in Konstanz - einer Stadt mit reicher humanistischer
Tradition und im Schnittpunkt international-europäischer Kraftlinien gelegen - gege-
ben wurden, straften die Gründungsgremien mit souveräner Verachtung.
Doch es soll hier nicht geklagt, sondern über den Versuch eines Neuansatzes, freilich
außerhalb unseres Vaterlandes, berichtet werden, der vielleicht geeignet ist, in letzter
Stunde das Absinken der altsprachlichen Studien in die Rolle einer „quantite negligeable“
auch in Deutschland aufzuhalten.
Die Universität Löwen in Belgien, erstmals 1425 gegründet, nahm seit dem Spät-
mittelalter in der Entwicklung des europäischen Humanismus eine zentrale Stellung ein
und wußte diese, trotz vieler Rückschläge, bis in die Gegenwart hinein bis zu einem
gewissen Grad zu behaupten. Ein junger Gelehrter dieses Instituts, Professor Dr. Jozef
Ijsewijn, setzte sich schon in seinen Studienjahren das Ziel, diese Löwener Tradition
neu zu beleben, sein Heimatland Brabant und Belgien wieder zum internationalen
Sammelbecken für humanistische und neulateinische Studien zu machen und, unter voller
Wahrung des klassischen Erbes als Ausgangspunkt, zu zeigen, daß es nicht genügt zu
erforschen, wie es in der Antike „wirklich gewesen ist“ und was die geistige Erbschaft
des Altertums „an sich“ bedeutet, sondern daß man außerdem den vielfältigen Be-
ziehungen nachgehen müsse, in denen Sprachen und Literaturformen des Altertums
weitergelebt und auf die jeweilige geistige und literarische Gegenwart aller europäischen
Völker bis zum heutigen Tag eingewirkt haben. Es ist keineswegs bewiesen, sondern
lediglich von den Gegnern der altsprachlichen Bildung ohne jeden Beweis dekretiert,
daß unsere Gegenwart einer solchen polaren Auseinandersetzung nicht mehr bedürfe,
ja, daß eine solche für den „Fortschritt“ eher hinderlich sei und daß deshalb die Be-
schäftigung mit der Antike und ihrem Fortleben aufzuhören habe.
Mit unermüdlichem Fleiß, staunenswertem Wissen, hervorragendem Organisations-
talent und großem Geschick in der Ausnutzung der materiellen Möglichkeiten ging

21
 
Annotationen