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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 15.1972

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Nr. 1
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Gaul, Dieter: Die neue Schule und die alten Sprachen
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Nickel, Rainer: Die achtundsechzig Göttinger Thesen zur Didaktik des altsprachlichen Unterrichts
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https://doi.org/10.11588/diglit.33065#0025

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Ist allein uns der Zugang zu den Massenmedien verbaut? Warum nicht in Rund-
funk, Fernsehen und Illustrierten Probleme sozialer und ethischer Art der an-
tiken Freizeit-Gesellschaft, bzw. ihrer leisure dass ausbreiten? Hier liegen noch
viele ungenutzte Möglichkeiten.
5. Wir müssen nicht nur das Gespräch mit der Öffentlichkeit, wir müssen
ebenso dringend, also sofort, das Gespräch mit den für die Bildungsplanung
Verantwortlichen suchen, u. a. mit v. Hentig, Klafki und Robinsohn. Es gilt
nicht nur die verschiedenen Bildungsvorstellungen (oder meinetwegen -ideolo-
gien) kritisch zu untersuchen, d. h. miteinander offen zu konfrontieren, sondern
vor allem zuerst einmal die verschiedenen Sprechweisen verstehen zu lernen, die
vielleicht sich mehr durch die Terminologie als in der gemeinten Sache unter-
scheiden. Auch Mißverständnisse, an denen wir nicht unschuldig sind, können
nur durch Gespräche ausgeräumt werden. Und wenn die Einflußreichen nicht
zu uns kommen, dann müssen wir uns zu ihnen bequemen. Wenn wir unsere
Argumente wissenschaftlich prüfen und überzeugend Vorbringen, dann gehört
uns zwar nicht die Zukunft, aber wir können ein Teil von ihr werden. Es ver-
schwindet dann auch jener faule Trost des DESINUNT ISTA, NON PERE-
UNT. Das nämlich wäre zu kleinmütig und unter unseren Möglichkeiten ge-
dacht. Dieter Gaul

Die achtundsechzig Göttinger Thesen zur Didaktik
des altsprachlichen Unterrichts1
Die Altphilologen wissen es seit dem 2. Oktober 19702, und wer noch keine Ahnung
hatte, weiß es nach der Lektüre der achtundsechzig Göttinger Thesen: Auch die Lehrer
des altsprachlichen Unterrichts haben ihre Arbeit im Auftrag der Gesellschafl zu ver-
richten. Denn sie bestimmt und kontrolliert Lernziele, Lerninhalte und Lernmethoden.
Wer das anerkennt - was selbstverständlich ist kann darauf bauen, daß er seinen
Dienst unter Wahrung optimaler Objektivität und Kritik leistet. Denn er ist frei von
Systembejahung, Rollenzwang und willkürlichen Entscheidungen. Sein Handeln ist ge-
prägt von dialektischer Redlichkeit. Er ist sich seines (einstigen) Irrglaubens an die
Existenz objektiver Werte und Normen und seiner (früheren) Gefährdung durch Ideo-
logisierung und Verbürgerlichung bewußt. Gegen Täuschung und Verführung durch
schichtenspezifische Bildungsinhalte ist er nun endlich gefeit. Er hat es nicht mehr nötig,
vor den realen Anforderungen der Gegenwart in eine vergangene Lebensform zu fliehen,
die dem von der Industriegesellschaft entmachteten Bürgertum als Freiraum diente.
Dank seines gesellschaftlichen Bewußtseins und seiner Kritikfähigkeit fühlt er sich nicht
mehr gezwungen, an Werten festzuhalten, die das Bürgertum aus einem nicht mehr
realisierbaren Machtanspruch dogmatisiert hatte. Die kritiklose Übernahme der huma-
nistischen Bildungstheorie hat mit der Verwirklichung eines sozialkritischen Verhaltens
auch in Kreisen der Altphilologenschaft ihr gerechtes Ende gefunden. Die Ideologie-
kritik lateinischer Lehrbücher befähigt den gesellschaftsbewußten Lehrer, mit dialek-
1 Bemerkungen zu einem Aufsatz von Wilhelm Berendt, Göttingen, im Mitteilungsblatt
des DAV Jg. 14, Nr. 3, September 1971, S. 5-15.
2 DAV: Ziele des Latein- und Griechisch-Unterrichts, in: Mitteilungsblatt Jg. 14, Nr. 1,
März 1971, S. 1-2.

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