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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 15.1972

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Nr. 4
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Weber, Franz Josef: Das Erbe der Antike: aus: Jahresbericht der Vereinigung ehemaliger Theodorianer 1971
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Kahlenberg, Käthe: Zur Kieler Tagung: Tagung des Deutschen Altphilologenverbandes vom 4. bis 8. April 1972
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https://doi.org/10.11588/diglit.33065#0099

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wie das Gegenteil davon, Hellenisierungsprozesse (Renaissancen). Im Materiellen und
in einigen Denkinhalten mögen wir uns von den Griechen entfernen - es bleibt jedoch
die Prägung, der Stempel, den die Antike unserem Kontinent aufgedrückt hat.
(Der Verfasser ist in seinen Ausführungen verpflichtet A. Bork, O. Gigon, F. Meh-
mel, W. Schadewaldt.) Franz-Josef Weber, Paderborn

Zur Kieler Tagung
(Tagung des Deutschen Altphilologenverbandes vom 4. bis 8. April 1972)
Das Programm zeigte bereits, daß die Thematik der Vorträge über die Fachbereiche
der beiden Alten Sprachen ■ hinausging: Philosophie und Philologie, Archäologie und
Kunst, Linguistik, Soziologie, Sprachlabor-Einsatz und Curriculum-Arbeit kamen in
Vorträgen, Arbeitskreisen und einer Podiumsdiskussion zu Worte. In seiner Eröffnungs-
ansprache forderte der erste Vorsitzende des DAV, Leitender Ministerialrat Otto
Leggewie, die Gefahren des technologischen Denkens abzuwehren; die geisteswissen-
schaftliche Betrachtungsweise dürfe nicht ausgeschaltet werden. Vergangenheit und Ge-
genwart befruchten sich in ihrer Umwandlung, auf historisches Denken könne man
nicht verzichten. Es gelte jetzt, das eigene Feld fruchtbarer zu gestalten. -
Bei meinem Rückblick seien einige Themen herausgegriffen, die für den Unterricht
bei Schülern der Sekundarstufe II, die politisch stark engagiert sind, Anregungen und
Anknüpfungen bieten. Denn in der Lernzieldiskussion für das Fach Geschichte stehen
sich die verschiedensten Thesen gegenüber. Eine Einschränkung stofflich orientierter
Lehrpläne hat z. T. schon stattgefunden, politisch-ökonomische und soziologische Ge-
sichtspunkte bestimmen die Curricula. Wenn man von dem Schüler fordert, er solle
eigene Probleme im Spiegel vergangener Epochen reflektieren oder Standortgebunden-
heit der jeweils Berichtenden sich bewußt machen . . ., dann können bei dieser Auf-
gabe die Alten Sprachen eine wesentliche Orientierungshilfe bieten.
Prof. Dr. O. Gigon, Bern: „Die Abgrenzung der Freiheit in der griechisch-römi-
schen Welt“. Es wird eine Abgrenzung der „Freiheit“ nach ihren verschiedenen Begriffs-
feldern im politischen, gesellschaftlichen, ethischen, theologischen Bereich gesucht; es han-
delt sich um die Begriffe oruTovopta und aÜTapxeia bzw. oruxovopla und 8Üöai|xovia. Es
ergeben sich folgende Antinomien: In Platons „Staat“ ist der autarke Mensch durch seine
besondere, ihm angemessene und zugeteilte Arbeit nicht mehr frei. Aristoteles nimmt
eine naturgemäße Sklavenschaft der ßavaucroi an. Dem Menschen soll die Erkennnis
vermittelt werden, daß er allein nicht Ordnung halten kann, es ist Aufgabe des Staates,
Einschränkungen aufzuerlegen. Der Staat hat nur Bestand, wenn alle seine Bürger -
oder der größere Teil - seine Vorteile haben. - Eine Antinomie auf philosophischem
Gebiet: Der Mensch soll ethisch handeln, das gerechte Tun ist Selbstzweck; andererseits
gewährt die Gerechtigkeit Lohn. - Der Bürger möchte seine Interessen verwirklichen, er
strebt nach dem tqÖtj. Das eigene Interesse wird aber von dem ethischen Streben nach
dem xoAov überspielt. Dieses Gute ist das Gute für die anderen, für die Allgemeinheit;
doch in ihm ist auch das xakov für den Einzelnen eingeschlossen. Die ethische Gesinnung
wandelt den Menschen um (■rpfojtoi'nx), es entsteht eine zweite Physis des Menschen.
Eine Antinomie auf theologischem Gebiet: Die Götter verleihen die dpstai und
damit den Weg zur Eudaimonie; dann ist sie eine Schenkung und beruht nicht auf einer
Leistung.
Zur menschlichen Naturanlage bezieht die Ethik folgende Stellung: Die Affekte
drängen die Menschen in eine bestimmte Richtung und bedrängen seine Freiheit. Nach
sokratischer Auffassung besiegt der Logos das Pathos, Aristoteles dagegen erkennt, daß
oft das Niedrige das Höhere besiegt.

2 DAV-Mitteilungsblatt 1972/4

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