der Versuch wohl unbedenklich, eine möglichst vollständige Aufzählung aller
spezifisch menschlichen Vermögen und Bedürfnisse zu geben, die sich uns in einer
reichen synchronischen und diachronischen (historischen) Erfahrung als konstant
erwiesen haben. Eine solche Aufzählung soll hier andeutungsweise gewagt wer-
den, damit wenigstens im Prinzip gezeigt werden kann, wie die emanzipatorische
Bildung dadurch einen Zielpunkt gewinnen kann. Unsere Überlegung hat also
vorwiegend methodische Bedeutung. Der Hinblick auf (vermutlich anzuneh-
mende) menschliche Grundvermögen und -bedürfnisse bringt übrigens schon die
Einsicht ein, daß in der Idee der Emanzipation nicht nur der negative Schritt
liegen kann, Hemmnisse zu beseitigen, die der Verwirklichung menschlicher Ver-
mögen und damit der Befriedigung der ihnen entfließenden Bedürfnisse im Wege
stehen, sondern es müssen auch positiv Mittel verfügbar gemacht werden, die
das Individuum instand setzen, eben seine Möglichkeiten zu verwirklichen und
seine Bedürfnisse zu befriedigen. Indem wir die emanzipatorische Bildung auf
dieses positive anthropologisch bestimmte Ziel hin orientieren, haben wir eine
über der emanzipatorischen Idee liegende höhere, dritte Stufe einer Bildungs-
idee erreicht, die sich auf der pragmatischen und emanzipatorischen aufzubauen
hätte und beiden die Richtung gibt. Diese Bildungsidee, die in ihrer Eigenart
heute kaum in den Umrissen wahrgenommen ist, sich aber in der Zukunft als
immer unabdingbarer erweisen wird, wäre versuchsweise als aktuell-humani-
stische zu bezeichnen (sie ist streng von der überlieferten neuhumanistischen zu
unterscheiden, was sich in unseren weiteren Überlegungen noch mehr klären
wird).
Es läßt sich sogar aus unserer bisherigen Konstruktion eines pragmatisch und
emanzipatorisch auf unsere moderne Gesellschaft bezogenen Fächerkanons ein
logisch möglicher, ja sogar notwendiger Übergang zu einer . Liste menschlicher
Grundbedürfnisse gewinnen, der dieser Liste eine erwünschte Objektivität gibt.
Es ist nämlich leicht einzusehen, daß, wenn etwa Sozialkunde oder Sprach-
lehre als Unterrichtsfächer in emanzipatorischer Absicht eingesetzt werden und
wenn, was ja die Voraussetzung ist, an ihnen Verständnis für Wissenschaft ent-
wickelt werden soll, diese Gegenstandsbereiche nicht nur unter dem emanzipa-
torischen Aspekt vermittelt werden können. Vielmehr muß ein Begriff des
vollen Gegenstandsbereiches gewonnen werden. Es müssen Aussagen gefunden
werden, die rein vom Gegenstand her gefordert werden (man erinnere sich an
den erwähnten Sachzwang, den es natürlich immer auch gibt) und zwar erst nur
in zunächst erzieherischer Annäherung werden so eigenständige Gegenstands-
und Sachbereiche sichtbar, und insofern wird der Unterricht in fast allen Fächern
auch Gegenstandslehre. Sofern aber Wissens- und Verhaltensgegenstände immer
in Korrelation zu subjektiven Vermögen und Intentionen stehen, lassen sich aus
den Gegenstandsbereichen ebensoviele humane Grundvermögen herauslesen,
oder: Gegenstandsbereiche sind zugleich Humanitätsbereiche. Nun zeigen die
Gegenstandsbereiche unseres bisherigen pragmatisch-emanzipatorischen Fächer-
kanons den Menschen: 1. als homo jäher (technisch produzierenden) 2. als zoion
politikon 3. als Logos besitzendes Lebewesen. Dies sind zugleich die in der klas-
sischen Anthropologie angenommenen Hauptmerkmale des Menschen, und diese
erhält also von den aktuellen Bildungsbedürfnissen her eine unerwartete Be-
10
spezifisch menschlichen Vermögen und Bedürfnisse zu geben, die sich uns in einer
reichen synchronischen und diachronischen (historischen) Erfahrung als konstant
erwiesen haben. Eine solche Aufzählung soll hier andeutungsweise gewagt wer-
den, damit wenigstens im Prinzip gezeigt werden kann, wie die emanzipatorische
Bildung dadurch einen Zielpunkt gewinnen kann. Unsere Überlegung hat also
vorwiegend methodische Bedeutung. Der Hinblick auf (vermutlich anzuneh-
mende) menschliche Grundvermögen und -bedürfnisse bringt übrigens schon die
Einsicht ein, daß in der Idee der Emanzipation nicht nur der negative Schritt
liegen kann, Hemmnisse zu beseitigen, die der Verwirklichung menschlicher Ver-
mögen und damit der Befriedigung der ihnen entfließenden Bedürfnisse im Wege
stehen, sondern es müssen auch positiv Mittel verfügbar gemacht werden, die
das Individuum instand setzen, eben seine Möglichkeiten zu verwirklichen und
seine Bedürfnisse zu befriedigen. Indem wir die emanzipatorische Bildung auf
dieses positive anthropologisch bestimmte Ziel hin orientieren, haben wir eine
über der emanzipatorischen Idee liegende höhere, dritte Stufe einer Bildungs-
idee erreicht, die sich auf der pragmatischen und emanzipatorischen aufzubauen
hätte und beiden die Richtung gibt. Diese Bildungsidee, die in ihrer Eigenart
heute kaum in den Umrissen wahrgenommen ist, sich aber in der Zukunft als
immer unabdingbarer erweisen wird, wäre versuchsweise als aktuell-humani-
stische zu bezeichnen (sie ist streng von der überlieferten neuhumanistischen zu
unterscheiden, was sich in unseren weiteren Überlegungen noch mehr klären
wird).
Es läßt sich sogar aus unserer bisherigen Konstruktion eines pragmatisch und
emanzipatorisch auf unsere moderne Gesellschaft bezogenen Fächerkanons ein
logisch möglicher, ja sogar notwendiger Übergang zu einer . Liste menschlicher
Grundbedürfnisse gewinnen, der dieser Liste eine erwünschte Objektivität gibt.
Es ist nämlich leicht einzusehen, daß, wenn etwa Sozialkunde oder Sprach-
lehre als Unterrichtsfächer in emanzipatorischer Absicht eingesetzt werden und
wenn, was ja die Voraussetzung ist, an ihnen Verständnis für Wissenschaft ent-
wickelt werden soll, diese Gegenstandsbereiche nicht nur unter dem emanzipa-
torischen Aspekt vermittelt werden können. Vielmehr muß ein Begriff des
vollen Gegenstandsbereiches gewonnen werden. Es müssen Aussagen gefunden
werden, die rein vom Gegenstand her gefordert werden (man erinnere sich an
den erwähnten Sachzwang, den es natürlich immer auch gibt) und zwar erst nur
in zunächst erzieherischer Annäherung werden so eigenständige Gegenstands-
und Sachbereiche sichtbar, und insofern wird der Unterricht in fast allen Fächern
auch Gegenstandslehre. Sofern aber Wissens- und Verhaltensgegenstände immer
in Korrelation zu subjektiven Vermögen und Intentionen stehen, lassen sich aus
den Gegenstandsbereichen ebensoviele humane Grundvermögen herauslesen,
oder: Gegenstandsbereiche sind zugleich Humanitätsbereiche. Nun zeigen die
Gegenstandsbereiche unseres bisherigen pragmatisch-emanzipatorischen Fächer-
kanons den Menschen: 1. als homo jäher (technisch produzierenden) 2. als zoion
politikon 3. als Logos besitzendes Lebewesen. Dies sind zugleich die in der klas-
sischen Anthropologie angenommenen Hauptmerkmale des Menschen, und diese
erhält also von den aktuellen Bildungsbedürfnissen her eine unerwartete Be-
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