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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 31.1988

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Nr. 1
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Aufsatz
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Zimmermann, Herbert: Zur Gesamtbilanz der perikleischen Ära
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https://doi.org/10.11588/diglit.35869#0007

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Aufsatz

Zur Gesamtbüanz der perikteischen Ära
Wer in einem Oberstufenkurs Plutarchs Perikies-Vita und den thukydideischen Epita-
phios gelesen hat, der steht vor der Frage, wie soll, ohne daß lediglich eine wiederho-
lende Inhaltswiedergabe der Texte herauskäme, eine schülergerechte Gesamtbilanz
dieser doch für die abendländische Kultur so bedeutenden Epoche erarbeitet werden.
Wissenschaftliche Werke gibt es darüber genug, aber ihr Umfang sprengt den zeitli-
chen Rahmen eines jeden Kurses. Im folgenden beschreibe ich summarisch, was wir
als sachlich wesentlich und in didaktischem Sinne als Verständnis erschließend her-
ausgearbeitet haben.
Politik wurde auch in Athen vorwiegend von begabten Einzelnen in der Form ge-
macht, daß sie ihre Pläne dem Volksrat und der Volksversammlung vortrugen und um
die Mehrheit warben. Das Strategenamt mit der ihm seit 488/487 allein zustehenden
Wahl durch das Volk und der uneingeschränkten Möglichkeit der Wiederwahl führte
diese Entwicklung fort. Denn die athenische Seebundspolitik machte aus den Strate-
gen de facto politische Führer, ohne daß sie de iure so etwas wie eine Regierung dar-
stellten. Im Rat hatten sie Sitz und Antragsrecht, konnten bei der Aufstellung der Ta-
gesordnung für die Volksversammlung mitreden, ihre im Rat eingebrachten und mehr-
heitlich gebilligten Anträge im eigenen Namen und dem des Rates vor der Volksver-
sammlung vertreten und schließlich außerordentliche Sitzungen beider Gremien ver-
langen.
Im Kollegium der zehn Strategen ragte wiederum der hervor, der die größte staatsmän-
nische Begabung besaß: Perikies. Die Demokratisierungspolitik, die das Volk auch
zum Herrn der Gerichte gemacht hatte, bürdete ihrem Initiator große Verantwortung
auf. Wenn das Volk diese hohe Aufgabe zum Nutzen und nicht zum Schaden Athens
ausführen sollte, bedurfte es eines in jeder Weise führenden, überzeugenden, oft auch
belehrenden Staatsmannes. Perikies wuchs in diese Position hinein, weil er durch sei-
nen Werdegang, sein Auftreten, seine Staatskonzeption, seinen Weitblick und seine
Unbeirrbarkeit die gerade hier notwendigen Eigenschaften mitbrachte. Er und das
Volk kamen sich sehr nahe, weil er diesem Volk gegenüber nicht willfährig war, son-
dern stets Einsicht und Engagement von ihm forderte. Er wurde zu einer Autorität, und
das Volk folgte ihm gerne. Die in dieser Zeit sich vollziehende Demokratisierung war
auf eine solche Führerrolle offensichtlich angewiesen. Die unvergleichliche kulturelle
Leistung, die sie erbracht hat, ist wesentlich aus diesem Verhältnis von Staatsmann
und Volk hervorgegangen.
Was aber, so fragen wir uns, waren geschichtlich die tragenden Ideen, die die Leistun-
gen dieser Epoche hervorgebracht und ihre Nachwirkung bis heute gesichert haben?
Was war die Staatskonzeption dieses Perikies?
Der f ta f Ismus
Die Idee des Etatismus war die Kraft des Engagements für den (bestehenden) Staat, das
hoch über die privaten Interessen gesetzt wurde. Es wurzelte in der tiefen Überzeu-

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