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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 31.1988

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Nr. 3
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Buchbesprechungen
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Baumgarten, Hans: Gegendarstellung (zu 2/88)
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https://doi.org/10.11588/diglit.35869#0092

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GegendarsteMung (zu 2/88)

A. Müller, Isernhagen, hat eine Kritik an der BGr der lanua in Heft 2/1988 der Mitteilungen veröf-
fentlicht. Das veranlaßt mich als Verfasser dieser Grammatik, auf einige Eigenschaften und Inten-
tionen des Buches hinzuweisen, die man bei flüchtigem Durchblättern der BGr vielleicht über-
sieht.
Die BGr hat die Aufgabe, den Grammatikstoff des Lehrbuches lektionenweise als Extrakt zusam-
menzufassen: Die Erklärungen müssen möglichst knapp und möglichst richtig und möglichst
schülergerecht gefaßt sein. Das ist nicht einfach. Aber das weiß nur, wer es versucht hat. Schnell
kollidieren da die Ansprüche wissenschaftlicher Richtigkeit und schülergemäßer Diktion, sach-
bedingte Ausführlichkeit und Differenzierung und überschaubare, motivierende Knappheit. Wie
unvermeidbar dies Dilemma ist, wird selbst in der Kritik sichtbar, wenn A. Müller zwar ,,die Straf-
fung des Stoffes" lobt (S. 41), dann jedoch ,,die Beschreibung der AB" als „sehr dürftig" bemän-
gelt und schließlich doch aus der BGr richtig herausfindet, „daß jede Präpositionalgruppe ohne
Rücksicht auf die Funktion als AB bezeichnet" wird (S. 42). Oder wenn er selbst mit der Ernen-
nung von -ra- und -r- zu Ipf.- und Fut.-Morphem bei esse zwar das Gebot der einprägsamen
Knappheit befolgt, dabei jedoch mit der sprachwissenschaftlichen Richtigkeit kollidiert (S. 42). Es
ist — wie gesagt — nicht einfach.
Den immer flexiblen Unterricht ersetzen kann auch wegen dieses Dilemmas keine gedruckte
Grammatik, nicht einmal ein Lernprogramm, mit dem A. Müller die BGr hier und da zu verwech-
seln scheint. Eine BGr, die den Stoff im Kielwasser des Lehrbuches stückein muß und nur schon
Gelerntes — so wenig das noch ist — voraussetzen kann, kann nicht einmal systematisch aufge-
baut sein, auch wenn sie — wie es hier nach Kräften geschieht — das Sprachsystem des Lateini-
schen immer wieder in den Blick rückt und so immer deutlicher bewußt macht. Daß dies ein we-
sentliches Ziel der BGr ist, zeigt z.B. die Breite der Ausführungen über die Begriffe Tempus —
Zeitstufe — Zeitverhältnis; das zeigt auch der für die Sprachreflexion wie für die Unterrichtspraxis
wichtige Versuch, mit der Deutung des Satzes als Ensemble von Satzgliedstellen die lateinische
Syntax schon Sextanern und Quartanern plausibel zu machen. Diese Gleise sollte man einmal
verfolgt haben, bevor man die Schotterscheine umdreht.
Mit Rücksicht auf den geduldigen Leser kann hier nur an wenigen exemplarischen Stellen kon-
kreter geredet werden. In § 23 „Der Ablativ ist der Kasus der adverbialen Bestimmung" liegt we-
der eine wissenschaftliche „Definition des Ablativs" noch ein „ominöser Satz" vor (S. 42), son-
dern eine hoffentlich praktikable Formel, die die Mehrzahl der Fälle faßbar macht und bei der
Minderzahl (z.B. Abi. lim. oder quäl.) dem Schüler Anstoß zum Nachdenken gibt — und zwar so-
wohl über den für ihn jetzt unerwarteten Fund eines attributiven Ablativs als auch über die Lei-
stungsfähigkeit jener Formel und die (immer nur statistische) Gültigkeit der Sprachgesetze im all-
gemeinen. Wenn die Formeln der BGr in praxi das leisten, was sie nach dem Willen des Verfas-
sers leisten sollen, geben sie über ihren vordergründigen Zweck hinaus den Anstoß zu einem Ein-
dringen in das Sprachsystem des Lateinischen. Das muß man sehen. — Die Kritik am „Richtungs-
kasus Akkusativ" (§ 7) oder am Gebrauch der Ausdrücke „transitiv — intransitiv" (§ 9) (S. 42) be-
trifft nicht den Wortlaut der BGr, sondern Weiterungen und Folgerungen, die erst für die Kritik
formuliert worden sind, um kritisieren zu können. Regeln mit genereller Gültigkeit kann die BGr
an diesen Stellen — also etwa in der 8. Lateinwoche der Anfänger — nicht bieten. Das zu verlan-
gen bedeutet ein etwas weltfremdes Postulat ohne Kontakt mit der Praxis.
„Die Beschreibung des Determinativpronomens... scheint" A. Müller „nicht gelungen" (S. 44),
er verbessert sie so: „Tatsächlich nimmt /s einen Antezedenten auf ... daneben ist es katapho-
risch". Jedes mittelgroße Lexikon zeigt, daß das einschränkende „daneben" nicht richtig ist; im
übrigen ist die von A. Müller vorgeschlagene Formulierung richtig und eindeutig — und für jede
Schülergrammatik ungeeignet. Ich weiß nicht, warum das beteuert werden muß.

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