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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 31.1988

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Nr. 3
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Aufsätze
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Klein, Friedrich: Bilder im Reich der Worte - Plädoyer für bildgestützte Präsentations- und Übungsformen im lateinischen Anfangsunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.35869#0077

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sehen werden kann. Abbildungen mögen zudem helfen, unterschiedliche Bedeu-
tungsnuancen wie bei „errare: (sich) irren / sich verirren" (s. Bild 2) zu verdeutlichen,
bzw. die Schüler vor Mißverständnissen zu bewahren, die sich bei bloßen Wortglei-
chungen aus der deutschen Muttersprache ergeben könnten (z.B. Bild 4: ,,terrere: er-
schrecken (transitiv), nicht aber: sich erschrecken").
Es versteht sich, daß die Zeichnungen möglichst einfach und kindgemäß zu halten wa-
ren: ablenkendes Detail hätte den Übungseffekt wesentlich behindern können. Den-
noch ließe sich je nach Gelegenheit wohl ab und an auch das eine oder andere Detail
berücksichtigen, das den Schülern eine zusätzliche Lernmöglichkeit im Bereich der
sogenannten Realien verschaffen könnte. So kann eine Zeichnung zur Vokabel „cena-
re" die für Römer typische Haltung beim Essen berücksichtigen oder eine Zeichnung
zur Vokabel ,,puet!a" die für römische Mädchen typische Kleidung zeigen. Damit er-
füllen diese simplen Abbildungen eine weitere Funktion als natürliche Gesprächsan-
lässe, bei denen die Schüler zu Fragen an den Lehrer (und nicht bloß umgekehrt) pro-
voziert werden.
In einem weiteren Schritt lassen sich die Abbildungen sogar in kleine grammatische
Übungen einbinden. So könnte man etwa bei Bild 1 die Namen Marcus und Claudius
vorgeben und die Schüler zu einer lateinischen Bildbeschreibung auffordern, etwa:
Marcus Claudium captat. Oder im Zusammenhang mit der Einführung des Imperativs
könnten die Schüler jeweils die Befehlsformen zu den gesuchten Verben bilden (wie
dies z.B. Bild 3 geradezu nahelegt). Auf diese Weise lassen sich die Abbildungen auch
als sinnvolle und spaßige Vorlagen für kurze Grammatikübungen, bzw. sogar zur Ein-
führung neuer Phänomene (man denke etwa an den Acl im Ausgang von einfachen
Bildbeschreibungen) verwenden.
Freilich eignet sich nicht jede Vokabel für eine solche zeichnerische Darstellung (man
denke z.B. an Vokabeln wie ,,paene" oder „ibi"): es hieße jedoch das Prinzip der Ver-
anschaulichung durch visuelle Hilfsmittel unsinnig zu überdehnen, wenn man es für
jeden Begriff oder für jede Lektion in gleichem Umfang anwenden wollte. Solche
Zeichnungen sollen die Wortschatzarbeit im Anfangsunterricht durch gezielten und
wohldosierten Einsatz erleichtern, ohne die analytische Kleinstarbeit, wie sie für unser
Fach charakteristisch ist, zu ersetzen. Eine Lateinstunde soll nicht zur Bilderstunde und
das Lernziel „Lektürefähigkeit" nicht zur Fähigkeit, das Bellum Gallicum in Comic-
form zu goutieren, herabsinken. Allerdings darf es auch nicht um gelegentliche, bloß
der Auflockerung dienende visuelle „Häppchen" gehen, — so wichtig diese auch für
den motivationsfördernden Unterricht sein mögen. Im Vordergrund steht der berech-
tigte Versuch, das sprachliche Wissen unserer Sextaner spielerisch zu üben und ihre
kindliche Phantasie auch im Lateinunterricht lebendig zu erhalten. Daß die hier als
Beispiel vorgestellten Zeichnungen höchst laienhaft und unbeholfen sind, behinderte
das Lernen der Schüler ebenso wenig wie ihren Spaß an der Übung, — und es mag so
manchen Lehrer mit ebenso wenig zeichnerischem Talent zur Nachahmung ermuti-
gen. (Notfalls helfen bestimmt auch ältere, zeichnerisch geschicktere Schüler aus!)
Wichtiger als technische Perfektion erscheint mir sowohl das Vermeiden grotesk-mon-
ströser Gestalten, wie sie sich leider in dem einen oder anderen Lehr- bzw. Übungs-
werk zur „Auflockerung" finden, als auch der Verzicht auf aktualisierende Darstellun-
gen, die den Schülern ein verzerrtes Bild der Antike erzeugen könnten. Aber vielleicht

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