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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 31.1988

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Nr. 3
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Buchbesprechungen
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Ströhlein, Helga: [Rezension von: Schmidt, H. W. (Hrsg.), Antikes Denken - Moderne Schule]
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https://doi.org/10.11588/diglit.35869#0087

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wurde (der letzte Beitrag des Bandes von J. Klowski kommt in anderem Zusammenhang auf diese
Denker der Renaissance zurück und empfiehlt dringend, den Schüler wenigstens an einem Text
aus dieser Zeit den Zusammenhang von Antike und Neuzeit kennenlernen zu lassen). Die Unter-
ordnung der Natur unter den Menschen wird zur notwendigen Verbesserung seiner Lebensbe-
dingungen; die Bemächtigung der Natur führt zur Herrschaft über die Natur, zu Ausbeutung und
Aneignung. Eine ,,Kritik der verabsolutierten Weltbeherrschungstendenz der modernen
Technik" entnimmt Fetscher einem hochaktuellen Text von F. Nietzsche, in dem dieser 1887
,,mit dem Maßstab der alten Griechen gemessen" feststellt: „Hybris ist unsere ganze Stellung zur
Natur". Dieser hierarchischen Beziehung von Mensch und Natur entgegengesetzt ist die Auffas-
sung vom Menschen als eines unabtrennbaren Teils der Natur. Bedenkenswert für uns Heutige
ist Platons Darstellung des Kosmos, er sei wahr und gut. Natürlich entspricht solchem Denken
die antike „Haltung inniger Bezogenheit und Verbundenheit von Mensch und Natur (Kosmos)",
von der Fetscher glaubt, daß wir uns ihr wieder nähern könnten. Auch heute geht es um den gan-
zen Menschen mit Denken und Empfinden (z.B. um die Wiederzulassung des tabuisierten
Themas 'Sterben'). Fetscher weist hin auf die Möglichkeit und die Chance, die „Kritik an der Ver-
absolutierung des neuzeitlichen Erkenntnissubjekts" zu nutzen, um zu einem anderen Verhältnis
des Menschen zur Natur zu kommen: Bewahrung der Natur, weil sie schön ist und unentbehr-
lich für humanes Dasein (damit wir der z.B. von K. Marx beschriebenen Aufgabe entsprechen,
die Erde „als boni patres familias den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.").
Für die zweite, damit in Zusammenhang stehende Thematik, den Lebenssinn, greift Fetscher zu-
rück auf die von Aristoteles beschriebenen fünf Lebensweisen. Immer noch vertretbar sei die
„Hochschätzung der öffentlichen Tätigkeit des Polites und des als Selbstzweck verstandenen
Denkens", natürlich ohne geschlechtlich (Frauen) und sozial (Sklaven) bedingte Beschränkung.
Dabei entspricht das aristotelische 7roXrreuem dem von Habermas herausgestellten 'kommunika-
tiven Handeln'. Wichtig ist es für den Menschen, zu Tätigkeiten (zurück-) zu finden, die von sich
aus befriedigen und somit Sinn stiften; Voraussetzungen dafür sind: Qualifizierung der Arbeit,
verbesserte Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger und Pflege von Kunst und Wissenschaft. Not-
wendig ist eine Haltung der Selbstbescheidung des Menschen, der sich dennoch seiner Fähigkei-
ten des wem und yrywucrKem bewußt ist und diese auch einsetzt.
Weil im Festvortrag zentrale Probleme unserer Jugendlichen in komprimierter Form dargestellt
sind, mögen mir die Verfasser der weiteren Vorträge verzeihen, wenn ich auf ihre Ausführungen
nur punktuell eingehe, obwohl die o.g. Fragen in vielen ihrer Texte enthalten sind. Allerdings
stellen m.E. nicht alle Vorträge den Bezug zur modernen Schule von sich aus her; in einigen,
bzw. in Passagen von einigen Beiträgen bleibt es dem Leser überlassen, aus fachwissenschaftli-
chen Darlegungen Aktualität und Brisanz für den heutigen Schüler herauszufiltern.
Der Abschnit 'Griechische Pbi/osophie' umfaßt drei Vorträge, die sich mit 'Le röle des Presocrati-
ques dans le mouvement philosophique (J. Frere) und zwei Platon-Themen beschäftigen: 'Theo-
rie und Praxis bei Platon' (R. Bubner) und 'Platonische Dialektik — damals und heute' (K. Gaiser).
Was Aristoteles für unbegreiflich hält, nämlich die Verknüpfung von Ideenlehre und Ethik, das ist
Kern platonischen Denkens. Das ist auch heute das Faszinierende für Schüler, daß es bei Platon
keine theoretische Selbstgenügsamkeit des Wissenden gibt (Höhlengleichnis), sondern daß die
Erkenntnis der Prinzipien des Seins zugleich die Anleitung zum richtigen Handeln darstellt — an-
deres Verhalten macht uns Erwachsene gegenüber Jugendlichen unglaubwürdig; Chance des
Griechisch-Unterrichts, dies zu thematisieren ebenso wie die Denkmodelle der Vorsokratiker
und das schwierige Problem der platonischen Dialektik (K. Gaiser gibt eine Grundfigur der dia-
lektischen Methode), die den Menschen wegführt von der gojja ihn über die Erkenntnis des Gu-
ten der Wahrheit näherbringt und damit zugleich dereu5a.tpoyin.
Im Kapitel 'Cicero' erscheinen zwei Vorträge: E. Lefevre, Cicero als skeptischer Akademiker —
Eine Einführung in die Schrift Academici libri' und M. Griffin, 'Philosophy for Statesmen: Cicero
und Seneca'. Die 'Academici libri' entstammen der letzten Phase von Ciceros philosophischem

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