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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0013

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II Hinführung

Weltkrieg zog, ist einem Ringen um die Notwendigkeit und Legitimität jedes
einzelnen militärischen Einsatzes gewichen: Im Golfkrieg 1991 unterstützte
die Bundesrepublik die USA noch mit Geldzahlungen, 1998/99 erfolgte dann
mit Verweis auf eine besondere humanitäre Verantwortung Deutschlands
(,Nie wieder Auschwitz!^) der aktive militärische Einsatz der Bundeswehr
im Kosovokrieg - der insbesondere wegen des fehlenden UN-Mandats lange
kontrovers diskutiert wurde. Auch der Einsatz der Bundeswehr in Afghanis-
tan wurde seit 2001 kritisch begleitet, seine Legitimität immer wieder disku-
tiert. Als im Mai 2010 der damalige Bundespräsident Horst Köhler in einem
Interview militärische Einsätze Deutschlands zur Sicherung auch wirtschaft-
licher Interessen erwog, war die mediale Reaktion so heftig, dass er wenige
Tage später von seinem Amt zurücktrat.
,Gewalt' ist ein aktuelles Thema, das in Deutschland vor dem Hinter-
grund der beschriebenen Problematik militärischer Auslandseinsätze ebenso
wie der Friedensbewegung der 1970er Jahre zu betrachten ist: Gewalt gilt uns
als unerwünscht und negativ; wird sie dennoch ausgeübt, bedarf sie der be-
sonderen Legitimierung/ Aus dieser Sicht heraus dient uns das Mittelalter
als Gegenwelt, als „ferner Spiegel'A Seine oft beschworene Finsternis ist im
populären Geschichtsbild vor allem mit der Vorstellung exzessiver und bru-
taler Gewaltausübung verknüpft: Das Mittelalter erscheint uns als eine Zeit
regelloser Gewalt, in der das Recht auf der Seite des Stärkeren, des Brutale-
ren lag. In zahlreichen Büchern und Filmen sorgt diese dem Mittelalter zuge-
schriebene Gewalttätigkeit für unsere Unterhaltung, die Faszination und
Abscheu gleichermaßen umfasst/ Auch im alltäglichen Sprachgebrauch hat
das Mittelalter seinen Platz. Phänomene oder Handlungen können mit der
Attribuierung als ,mittelalterlich' schnell und einfach disqualifiziert werden.
Sie widersprechen, so lässt sich dieses Urteil ausformulieren, unseren mora-
lischen Ansprüchen und gelten damit als Atavismus/ So gesehen ist es wenig
überraschend und dennoch aussagekräftig, dass die damalige Chefankläge-
rin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, Car-
la del Ponte, das Verfahren gegen den ehemaligen serbischen Präsidenten
Slobodan Milosevic am 12. Februar 2002 mit dem Hinweis eröffnete, die ihm
vorgeworfenen Taten würden eine „fast mittelalterliche Wildheit"^ offenba-
ren.

^ Rede des damaligen Außenministers Joschka Fischer am 7. April 1999, zitiert nach der Süd-
deutschen Zeitung vom 25. Januar 2005. Siehe dazu auch Schwab-Trapp, Srebrenica.
5 Reemtsma, Vertrauen, S. 9 und 188; Münkler, Wandel, S. 147; Kuchler, Kriege, S. 7f.
6 So der Untertitel von Tuchman, Der ferne Spiegel, die im 14. Jahrhundert eine „gewalttätige,
gequälte, verwirrte, leidende und zerfallende Zeit" sieht, ebd., S. 9.
' Siehe dazu Clauss/Grieb, FSK-Freigabe.
s Vgl. Rexroth, Deutsche Geschichte, S. 8.
9 „Some of the incidents revealed an almost medieval savagery and a calculated cruelty that
went far beyond the bounds of legitimate warfare" Del Ponte s Words: ,An Almost Medieval
Savagery', in: The New York Times, 13.02.2002, URL: [http://www.nytimes.com/2002/02/13/
world/del-ponte-s-words-an-almost-medieval-savagery.html] (05.02.2014). Siehe auch
McGlynn, Sword, S. 1.
 
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