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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0027

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26

III Orientierung

deutet die zweite Verwendung eher auf den Einflussbereich des Gegners hin,
der jemanden ,in seiner Gewalt haben' kann. Zwar bedarf auch dies militäri-
scher Mittel zur Durchsetzung, die Quellen lassen aber ein räumliches Ver-
ständnis dieses Einflussbereiches erkennen - zwei weitere Beispiele verdeut-
lichen dies: In der Darstellung Pierre Cochons warf Jean Petit 1408 dem zuvor
ermordeten Herzog von Orleans vor, dieser habe die Königin aus Paris und
somit aus dem Herrschafts- oder Einflussbereich des Königs (Zzors de szz
poiss%Hce36) bringen wollen. Auch Commynes bediente sich in seiner (wieder-
holten) Warnung vor Fürstentreffen desselben Begriffs: Es sei purer Leicht-
sinn, wenn ein Fürst sich bei einem Treffen in den Herrschaftsbereich eines
anderen und damit in dessen Gewalt (% Zzz puissance d'zuz anZtr^z) Begebe. Auch
für ponuozr lässt sich der Gebrauch in der Bedeutung als Herrschaftsgebiet'
nach weisen. 38
(4) Einen weiteren, indirekten Rückbezug auf die Ressourcen eines Fürsten
lässt die Wendung % ponuozr (etwa: ,nach Kräften') erkennen. Als ,Kraft' wird
zwar im übertragenen Sinn auch politischer Einfluss verstanden^ meistens
aber ist der Bezug zu militärischer Stärke erkennbar, etwa wenn Enguerrand
de Monstrelet die Vorbereitungen Heinrichs V. von England für dessen Inva-
sion 1415 schildert:
En Zzzyzzz dnzyneZ coizsczZyiz condnd z?n'zZ zzssczzzZzZcrozZ & tont son rot/aume
plus grzuzZ pzzrZzc de gens de gnerre z?n'zZ pozirrozZyzzzcr pour enfrer en Er%nce
ef d son pouozr contynenr ef ZrzzuczZZcr Ze rot/anmedo
[Am Ende der Beratung wurde beschlossen, dass er aus seinem gan-
zen Reich so viele Soldaten versammeln werde, wie er zahlen könne,
um nach Frankeich zu ziehen und es nach Kräften zu erobern und zu
schädigen.]

VzoZcncc
VzoZcncc hat Tobler/Lommatzsch zufolge lediglich die Bedeutungsebene Ge-
walt, Gewalttat'. Allerdings lassen sich durch die Analyse entsprechender
Belege einige Bedeutungsnuancen differenzieren.
(1) VzoZcnccs im Plural bedeuten - und dies trifft die knappe Erläuterung
durch Tobler/Lommatzsch recht genau - eine Summe von gewaltsamen Ta-
ten, die kaum näher beschrieben werden. Zur Veranschaulichung seien zwei
typische Beispiele angeführt:

36 Chronique normande de Pierre Cochon, S. 232.
37 Philippe de Commynes, Memoires, Bd. 1, S. 120 (11,6).
38 Dies insbesondere in der Chronique des quatre premiers Valois, S. 94; Qnani SaZZ?adZnc /c son-
&ni sccni /c roi/ & France csioii rcionrnc ei parii/, ZZ sewoni ions /es Sarrazins & son pouoir. Wei-
tere Beispiele: ebd., S. 44 und 192.
39 En onire/ireni accori ei/Zance ^n'ZZ isZc) weiroZeni a Zenr pouo/r nn/on en sa/nie eg/ise. Chronique
normande de Pierre Cochon, S. 136.
40 Monstrelet, Chronique, Bd. 3, S. 70. Weitere Beispiele: ebd., Bd. 2, S. 3 und 373; Philippe de
Commynes, Memoires, Bd. 1, S. 71 (1,12).
 
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