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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0039

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38

III Orientierung

worfen gewesen sei. Diese Erkenntnisse wurden auch auf die Kriegführung
übertragen, die entsprechend als größere Fehde gedacht wurde und bei de-
ren Untersuchung man ebenfalls die Regelhaftigkeit betonte. Dadurch werde
jedoch die mittelalterliche Kriegsführung idealisiert und verklärt, so die Kri-
tik an Brunners Ansatz: Ein derartiges Idealbild entspreche eher der Sehn-
sucht des modernen Historikers als den Quellenbefunden.^
Ansätze der traditionellen Militärgeschichte waren nach 1945 im deut-
schen Sprachraum kaum zu finden. Die Gesamtdarstellungen der mittelalter-
lichen Kriegführung von Schmidtchen (1990) und Ohler (1997) sowie der
militärhistorisch angelegte Band von Kaindel und Obenaus über den „Krieg
im mittelalterlichen Abendland" (2010) können daher als Neuansätze gel-
ten.^ Dagegen hat sich in England bis heute eine ungebrochene Tradition der
klassischen Militärgeschichte erhalten, die sich etwa der detaillierten Rekon-
struktion von Schlachten oder der Untersuchung militärischer Taktik und
Logistik widmet.^ In Deutschland wurden dagegen nach dem Zweiten Welt-
krieg vor allem Strategien der Gewaltvermeidung und Konfliktlösung sowie
der Verrechtlichung von Streitfällen thematisiert.^ Dies umfasst zum einen
die bereits angesprochene Fokussierung auf die Regelhaftigkeit der Kriegs-
und Fehdeführung, zum anderen die Gottes- und Landfriedensbewegung
seit dem 10. fahrhundert: Hier ist vor allem die bis heute als Standardwerk
geltende Monographie Hoffmanns von 1964 zu nennen.^
Grundlegend für die ältere Forschung ist die Annahme, dass die Präsenz
von Gewalt vor allem auf ein Defizit obrigkeitlicher Durchsetzungskraft hin-
weise. Gewaltausübung habe die Rechtsordnung verletzt, weswegen dann
wegen der königlichen Schwäche andere gesellschaftlichen Kräfte das Heft in
die Hand genommen hätten: Gegen die durch den Verfall des Karolinger-
reichs bedingten anardu'e yeodaü habe der Klerus die Idee des Gottesfriedens
entwickelt.^
Die englische und französische Forschung dagegen sah im Fehdewesen
eher ,private Kriege' (im Gegensatz zu vom Monarchen geführten) und

14 Vgl. Kortüm, Kriege, S. 71-73; Auer, Kriegswesen, S. 67, sowie Algazi, Otto Brunner.
15 Schmidtchen, Kriegswesen; Ohler, Krieg und Frieden; Krieg im mittelalterlichen Abendland.
Siehe dazu Clauss/Grieb, FSK-Freigabe, S. 142-145.
i5 Siehe z. B. die Beiträge in: Waging war in the fourteenth Century; Rogers, Essays; The battle of
Crecy; Curry, Agincourt; Rogers, Henry V; Rogers, War; Arms, armies and fortihcations;
Sherborne, War; Allmand, Henry V the Soldier; Hewitt, Organisation; Hewitt, Organization;
Keen, Laws.
1? Vgl. Frieden stiften; Kortüm, Kriegstypus, S. 97; Reinle, Bauerngewalt, S. 106; Rogge, Kriegs-
wesen, S. 20, sowie die Beiträge in: Rechtsverständnis, und Streit am Hof.
i5 Hoffmann, Gottesfriede. Seitdem Goetz, Kirchenschutz; engl. Übersetzung Goetz, Protection;
Nitschke, Kampf; Träger und Instrumentarien; Arnold, Volksbewegungen; Wadle, Delegiti-
mierung; Goetz, Die Gottesfriedensbewegung; Hehl, Sorge; Landfrieden; Gergen, Pratique;
Grigore, Ehre. Siehe dazu auch: The peace of God; Frassetto, Violence; Barthelemy, L'an mil.
i9 Siehe dazu Goetz, Moderne Mediävistik, S. 198; Hoffmann, Gottesfriede, S. lf. und 11-14. Mit
dem Konzept der hatte sich schon 1961 Karl-Ferdinand Werner in seiner Habili-
tationsschrift kritisch auseinander gesetzt, vgl. Werner, Entstehung. Siehe auch Goetz, Die Got-
tesfriedensbewegung, S. 37f.
 
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