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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0048

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21 Forschungsstand

47

geradezu die „Essenz des Rittertums" s°, also ein strukturell angelegtes Merk-
mal, das erst durch die Bindung des Adels an die Krone und das Entstehen
des frühneuzeitlichen Staates abgeschwächt worden sei. Grundsätzlich aber
habe es seitens des Adels keine Bereitschaft gegeben, auf Gewalt als Zeichen
des sozialen Status zu verzichten.^ Entsprechend wird die Beziehung des
mittelalterlichen Rittertums zur Gewalt - vor allem aus literaturwissenschaft-
licher Perspektive - auch innerhalb der von der DFG geförderten Forscher-
gruppe 1101 „Gewaltgemeinschaften" (seit 2009) thematisiert.^ Aus ähnli-
cher Warte heraus befasst sich ein Sammelband über „violence in medieval
society" mit der von Adligen ausgehenden, kriegerischen und ritterlichen
Gewalt, etwa auf Turnieren oder in Zweikämpfen.^ Saul wies dagegen 2011
dezidiert auch auf die gewaltlosen Anteile der ritterlichen Kultur hin: Das
Streben nach Ehre habe sich keineswegs nur in Aggression geäußert.^
Zwar dominiert der Blick auf den Adel die Gewaltforschung, es wurde
jedoch auch die Beziehung anderer sozialer Gruppen zur Gewalt untersucht.
So ist die zeitweise eruptiv ausbrechende Gewalt gegen Minderheiten, wie
Juden oder Muslime, Nirenberg zufolge nicht einfach mit fremdenfeindlichen
oder religiösen Gründen zu erklären.^ Juden seien auch Opfer von solchen
Angriffen geworden, die eigentlich auf die königliche Finanzverwaltung
zielten, weil die Juden als mit ihr eng verbunden gattenA Damit, so Niren-
berg, werde die symbolische und mitunter sogar sozial stabilisierende Funk-
tion von alltäglicher Gewalt deutlich. Eine ähnliche Perspektive nahm White
mit seiner Analyse der klerikalen Reaktionsmöglichkeiten auf adlige Gewalt
ein;87 Religiöse Gemeinschaften seien demnach nicht nur Opfer gewesen,
sondern hätten durch die wortgewaltige Verdammung von Gewalttaten die
Obrigkeit unter Handlungsdruck gesetzt, denn beschädigte oder geplünderte
Klöster hätten den Auftrag ihres Stifters nicht mehr gewährleisten können.
Zudem konnten sie sich durch die Androhung von göttlicher, rächender
Gewalt sowie der Exkommunikation (gewaltlos) wehren. Die bipolare Opfer-

so „Chivalry was not simply a code integrating generic individual and society, not simply an idal
for relations between the sexes or a means for knocking off the rough warrior edges in prepara-
tion for the European gentleman to come. The bloody-minded side of the code [...] was of the
essence of chivalry." Kaeuper, Chivalry and violence, S. 8.
81 Kaeuper, Introduction, S. Xf.
82 Die Forschergruppe "Gewaltgemeinschaften" beschäftigt sich mit "Gruppen und Netzwerken,
für die physische Gewalt einen wesentlichen Teil ihrer Existenz ausmacht, sei es, dass sie ihren
Lebensunterhalt mit dem Einsatz von Gewalt erwerben, sei es, dass ihr Zusammenleben und
ihre Identität auf gemeinsamer Gewaltausübung beruhen." Speitkamp, Einführung, S. 7. Dabei
wird explizit darauf verwiesen, dass schwache staatliche Strukturen die Herausbitdung solcher
Gruppen fördern würden - Gewalt erscheint damit wiederum als vom Staat zu lösendes Prob-
lem. Das Konzept wurde auch von Wiemer, Goten, aufgegriffen.
Einen Überblick über die Forschungsprojekte gibt die Homepage der Forschergruppe, URL:
[http://www.uni-giessen.de/cms/fbz/fb04/institute/geschichte/forschung/dfg_forscher]
(05.02.2014).
88 Violence in medieval society.
84 Saul, Chivalry, S. 178-196.
88 Nirenberg, Communities.
86 Ebd., S. 50.
87 White, Repenser.
 
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