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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0054

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31 Methodik und Quellenkorpus

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zudem in den Sozialwissenschaften keine Verwendung finde. Es bleibe die
Hoffnung, so Le Goff, dass die Psychologie noch merke, wie nützlich das von
den Historikern vertretene Konzept seiA Aus deutscher Sicht wies Sellin 1985
ebenfalls auf die Schwächen des Konzepts hin: Die Abgrenzung zur Geistes-
und Ideengeschichte sei nicht klar, die Definition nicht einheitlich, die For-
schung ohne klare Richtung.^ Vor allem die Frage nach dem Charakter einer
Mentalität, so Sellin, sei ungeklärt: Sind Mentalitäten Grundeigenschaften des
Menschen, die sich unter spezifischen Umständen zeigen, oder prägen spezi-
fische historische Konstellationen vielmehr die Mentalität? Ist ein Mentali-
tätswandel demnach als Wandel der äußeren Umstände oder aber der kol-
lektiven Einstellungen zu verstehen?^ Aufgrund dieser vielfältigen Schwie-
rigkeiten betonte Duby schließlich 1991, er würde den Begriff der Mentalität
nicht mehr verwenden.^ Dennoch wurde das Konzept sowohl in Frankreich
als auch in Deutschland weiterverfolgt, vor allem, um unbewusst-intuitive
Grundhaltungen zu abstrakten Themen wie Körper, Sexualität und Religion
zu untersuchen.^
Als Konsens kann heute gelten, dass Mentalitäten als kollektive Dispositi-
onen nur gruppenspezifisch und auf breitestmöglicher Quellenbasis erforscht
werden können, wie sie jedoch gerade in der Mediävistik nur selten zur Ver-
fügung stehtA In Bezug auf Gewalt bieten sich im rechtshistorischen Bereich
hier die Lehms de mzzzzsszozz an. Ihre ausgiebige Analyse ermöglichte tatsäch-
lich vielfältige Einblicke in das Alltagsleben der Menschen; der formalisierte
Aufbau der Zehres und ihre auf begnadigte Verbrechen beschränkte Aussage-
kraft lässt weitergehende Schlüsse auf die ,Mentalität' jedoch kaum zu A
Um die Schwächen des Mentalitätsbegriffes zu überwinden, schlug Le
Goff den Begriff des zzzzzzgzzzzzzm vor, der stärker an das Handeln der Menschen
geknüpft sei, da er auch jene Vorstellungen der Wirklichkeit umfasse, die
diese erst mit hervorbringenA Le Goff verortet den zzzzzzgzzzzzzm dabei zwischen

Le Goff, Mentalites, S. 83f.
i5 Sellin, Mentalität, S. 559-561, 568; dort auch verschiedene Definitionsansätze. Siehe auch Kor-
tüm, Menschen, S. 24-28; Raulff, Mentalitäten-Geschichte, S. 9f.; Graus, Mentalität, S. lOf. Dazu
auch die umfangreiche Kritik Lloyds an der Mentalitätsforschung, sowie die Stellungnahme
Martins dazu: Lloyd, Demystifying mentalities, knapp zusammengefasst auf S. 4-7; Martin,
Mentalites [2001], S. 227-231.
1? Sellin, Mentalität, S. 589f. Siehe dazu auch: Graus, Mentalität, S. 11-13; Schneider, Mentalitäten,
S. 326f.
i5 „Je n'emploie plus le mot mentalite. 11 n'est pas satisfaisant et nous ne tardämes pas ä nous en
apercevoir." Duby, L'histoire continue, S. 120.
i9 Martin, Mentalites [2001]; Martin, Mentalites [1998]; Kortüm, Menschen; Europäische Mentali-
tätsgeschichte.
70 Umstritten ist dabei jedoch die Bedeutung serieller Quellen. Vgl. Kortüm, Menschen, S. 25f.;
Dinzelbacher, Theorie, S. XVIII-XXVI; Volvelle, Serielle Geschichte; Graus, Mentalität, S. 36f.;
Raulff, Mentalitäten-Geschichte, S. 15; Sellin, Mentalität, S. 591-594; Le Goff, Mentalites, S. 85-
88.
71 Gauvard, Grace especial, S. 63-75; Guyotjeannin, Persuasion; Gauvard, Violence et ordre pu-
blic, S. 96f. Dazu auch Martin, Mentalites [2001], S. 255-261.
77 Le Goff, L'imaginaire, S. 1-VI. Siehe auch: Boia, Lhstoire de l'imaginaire, S. 11-39; Oexle, Das
Andere. Der Begriff des ZwaglMHÜc geht zurück auf Castoriadis, Imaginaire, bes. S. 177-230.
Siehe dazu auch die Beträge in: Imaginaire et creation historique.
 
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