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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0073

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11 Kriegerisch-bejahend^

Die Sündhaftigkeit der Menschen hatte Herrschaft nötig gemacht, die - in
diesem Fall trifft die Doppeldeutigkeit des deutschen Gewaltbegriffs zu -
durch ihre ,Gewalt' für Gerechtigkeit sorgen musste: „Der Krieg entspringt
seiner Natur nach einem Mangel an Gerechtigkeit, denn, wenn wir alle ge-
recht wären, brauchten wir keine Waffengewalt."^ Alain Chartier führte Ge-
walt auf menschliche Defizite zurück, Jean de Bueil und Georges Chastellain
sogar auf den archetypischen Gewaltakt schlechthin: Die Erde sei nach der
Schöpfung nicht lange friedlich geblieben, denn mit dem Streit zwischen Kain
und Abel habe bald der Krieg unter den Menschen begonnen und sich dann
mit diesen über die Erde ausgebreitetG Seitdem gehörte er unabänderlich zur
Ordnung der Welt, war ein dem Frieden in seiner Normalität gleichwertiger
Zustand: „Im Frieden muss Frieden sein, im Krieg Krieg."4

Krieg als Aufgabe
Die gerechte und legitime Kriegsführung galt als Aufgabe des Adels. Dieser
sei wegen seiner physischen und psychischen Qualitäten ausgewählt worden,
um das Volk zu beschützen, um Feinde mit aller Härte zu bekämpfen und um
selbstlos zu herrschend Geoffroi de Charny bot in einer differenzierten Ge-
genüberstellung von Tugenden und Lastern ein Panorama idealer adlig-
herrschaftlicher Charakteristiken - die Herrschaft selbst sah er als gegeben an
und rechtfertigte vielmehr die führende Position des Adels. Es überrascht
beinahe, dass sein Traktat vor der desaströsen französischen Niederlage in der

' Die Versuche, das Rittertum bzw. die ritterliche Identität und Mentalität zu beschreiben und
zu definieren, sind zahllos. An dieser Stelle sei nur auf einige einschlägige Titel verwiesen: Pa-
ravicini. Ritterlich-höfische Kultur, S. 3-19; Rodriguez Velasco, Order, S. 1; Barthelemy, Cheva-
lerie, S. 9-13; Ehlers, Ritter, S. 7-20; Fleckenstein, Rittertum, S. 9-24; Kaeuper, Chivalry and
violence, S. 1-39; Martin, Mentalites [1998], S. 306-396; Fleckenstein, Rittertum, S. 1-31; Kor-
tüm, Menschen, S. 41-76; Keen, Chivalry, bes. S. 15-17, 238-253; Barnie, War, S. 56-58. Zur so-
zialen Genese (mit Blick auf England): Saul, Chivalry, S. 7-20, 37-59.
2 GMerre, de sa propre wdssHwce u;'e?d per de/dMde dejMsd'ce ear, se foMS esd'ows jMsfes, Jbree d'armes ne
MOMS HMrod desod;g. Chartier, Quadrilogue, S. 35. Ähnlich bei Bonet, Arbre, S. 83f. (IV,2); Faen-
nec, Christine, Bd. 2, S. 23f., (1,2), (siehe auch: Christine de Pisan, Book of Fayttes, S. 9f.; Chris-
tine de Pisan, Book of deeds, S. 14).
^ AM commewcemerd de ee wowde (...) ne/Md pas ioMgMemerd d? ferre ew pdx. Aiwpds eowwew^g d?
gMerre, tpu esf propre ewwewi/e de waiMre, d regwer ei auod ewiree ewire ies proedaiws parews ei^ües,
eowwe/Mrewi Cm/w ei Adel; ei proeeda eesie gMerre d PoccHsiow d'ewuie, aiwsi/ ^M'd esi reede OM hure de
Gewese OM seeowd edappdre. Par ^Moi/ apperi euidamweMi ie iroMdie ei ie eow/dei d'ieede woriede pesid-
iewee auoir priws MHissawee, origiwe ei eowweweeweMi d'Mwe seMÜe persowwe ei, per SMeeessiow de iewps,
Huod pMÜMie ei WMiiipde ses drawedes seiow i'Heroissewewi ei WMdipdeHiiow de i'dMWMd! dgwaige. Jean
de Bueil, Jouvencel, Bd. 1, S. 13. Ähnlich erklärt auch Chastellain, Oeuvres, Bd. 1, S. 2, zu Be-
ginn seiner Chronik die Gewalttätigkeit der Menschen.
^ Fw pais dod esire paix, ei er; gMerre gMerre. Froissart, Chroniques (SHF), Bd. 8/2, S. 191 (1,758).
5 The Book of Chivalry, S. 138-144.
 
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