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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0087

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86

1111 Voraussetzungen

realpolitischen Ratgeber denn als Theologen erscheinen lässt, lean fuvenal
des Ursins etwa plädierte 1440 eindrücklich dafür, Frieden mit dem engli-
schen König zu schließen. Dies aber nicht um des Friedens selbst willen, son-
dern aus politisch-militärischer Notwendigkeit. Die Feinde seien zu mächtig
und den Franzosen selbst würden die Voraussetzungen für den Krieg feh-
len.^ Darüber hinaus müsse der König das Volk vor den andauernden Plün-
derungen schützen, sonst drohe ihm ein AufstandV Auch Thomas Basin dis-
kutierte angesichts des englisch-französischen Friedensschlusses von Picqu-
igny 1475 kritisch dessen Nützlichkeit: Zwar sei der Griff zu den Waffen im-
mer mit Gefahren und Unwägbarkeiten verbunden, die französische Seite sei
aber deutlich besser aufgestellt und vorbereitet als die englische, weswegen
man sich sehr wundern müsse, warum der französische König sich nun dem
englischen tributpflichtig machet Der vormalige Bischof von Lisieux wandte
sich in seiner Bewertung explizit und wohl auch aus persönlichem Groll ge-
gen Ludwig XI., argumentierte dabei aber ebenfalls eher mit Gründen der
Staatsraison als auf religiös-theologischer Grundlage.^ Auch der Autor der
C/zroMüjMe des poahT premzers VdZozs sprach sich angesichts der erfolgreichen
Rückeroberung Caens im fahr 1366 (mit mehr als 300 Toten) durch die Fran-
zosen für eine entschlossen offensive Kriegsführung aus: „Wenn früher auch
schon so gehandelt worden wäre, hätten die Kriege nicht so lange gedauert,
wie sie es tun/'^« Kleriker nahmen die Rohe politischer Ratgeber an und ana-
lysierten pragmatisch-nüchtern die militärischen und politischen Probleme
ihrer Zeit. Der Friede galt ihnen zwar als Ideal, um den Frieden zu sichern
und Gerechtigkeit walten zu lassen, durften, ja mussten König und Adel ihrer
Meinung nach aber zur Gewalt greifen und Krieg führen. Unterließen sie
dies, kamen sie ihrer gesellschaftlichen Pflicht nicht nach.

Normen & Werte
Hinter der Pragmatik war das Konzept des MZzzm ntsütm gedanklich stets
präsent, etwa in den Briefen des Theologen Nicolas de Clamanges. Gegenüber
den politisch orientierten Chroniken wird hier eine skeptischere Sicht deut-
lich: Nicolas rekurrierte explizit auf mögliche legitime Kriegsgründe, so den
Schutz des Landes und der Kirche oder die Bestrafung eines Unrechts, sah
diese Gründe für die Kriege seiner Zeit aber nicht als gegeben an3^ Die häufi-
gen Klagen über Zerstörungen und Plünderungen von Kirchen und Klöstern
oder Angriffe auf Geistliche sind dabei nur auf den ersten Blick der eigenen.

i6 Jean Juvenal führt hier einerseits Mut, Willen und Kraft an, andererseits militärische Disziplin
und Einigkeit. Juvenal des Ursins, Ecrits, Bd. 1, S. 399-411 (Lo^Mar N OihHUo'one).
i? Ebd., Bd. 1, S. 412-419 (LotjMar in OihHUo'one).
is Basin, Louis XI, Bd. 2, S. 240.
i9 Samaran, Basin, S. 1534. Zu Basin siehe S. 60f. Anm. 58.
Ecu deh'ure d'cMÜ, et tpu eMsf Hinsicht le femps passe, Ls gMerres M'eMsseMt pas tauf loMgMe-
weMt ahne comme ont. Chronique des quatre premiers Valois, S. 170. Vgl. Dazu Ambühl, Pri-
soners, S. 13f.
7i Nicolas de Clamanges, Opera omnia, Bd. 2, S. 160 (Nr. 59) und 191 (Nr. 67).
 
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