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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0094

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31 Obrigkeitlich-zentralisierend

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stilisiert: Es konnte keine politische Handlung geben, die den König als Zent-
rum aller Politik nicht tangierte.
Es sind weniger Selbstaussagen des Königtums, die ein zentralisierendes,
auf eine starke Stellung der Obrigkeit zielendes Denkmuster der Gewalt zei-
gen. Es waren eher königsnahe Autoren wie Michel Pintoin, Jean Juvenal oder
Christine de Pisan, die - der Wunsch ist der Vater des Gedankens - ein star-
kes Königtum herbeischrieben: In ihren Texten projizierten sie Erwartungs-
haltungen auf das Königtum und schufen so das Idealbild eines guten und
starken Herrschers, das wiederum auf den König zurückwirkte. Zentral war
dabei als Aufgabe die Erhaltung des Friedens, was sich insbesondere im
15. Jahrhundert mehr auf den innerfranzösischen Bürgerkrieg als auf Kriege
generell bezog/ Der Wunsch nach Frieden war aber kein Aufruf zum Pazi-
fismus: Der König wurde in der Pflicht gesehen, den Frieden durchzusetzen.
Die Beschwerden über Plünderungen, die die Bevölkerung an den König
herantrug, waren eine Aufforderung zum aktiven Handeln/ Um das Reich
und seine Bewohner zu schützen, immer verteidigungsbereit zu sein und ihre
Körper nicht zu schonen, so Christine de Pisan, habe der Fürst die Krieger
ausersehen/ Die ihrerseits auf Autonomie bedachten behafotrs erscheinen hier
als von fürstlicher (nicht göttlicher!) Gnade geschaffen und folglich in eine
strenge militärische Hierarchie eingebunden/" Mehr noch: Die Adligen muss-
ten gesellschaftlich gesehen dem König gegenüber besonders gehorsam sein,
um allen anderen als Beispiel zu dienen.^
Doch wodurch zeichnete sich der König unter den Kriegern aus? Christine
de Pisan mühte sich 1404 in ihrem Tzwe des yihs A bonnos aiddrs dM sage rot/
Cdarles V) das Ideal des kriegführenden und tapferen Königs auf den militä-
risch zwar erfolgreichen, aber im aktiven Kampf eher zurückhaltenden
Karl V. zu übertragen.^ Für Christine bestand keinerlei Zweifel daran, dass
Karl ritterlich (cdeotderoMx) sei V Zu diesem Urteil gelangte Christine, indem
sie edeotdene durch die vier Eigenschaften boddo ^orb/do, sods, ddtgonco und
ybree definierte^: Glück, Verstand, Eifer und...ybree. Erneut stellt sich hier die

' Zum Streben des Königs nach Befriedung des Reichs: Jean de Bueil, Jouvencel, Bd. 2, S. 154.
Zum Lob des Königs bzw. des Dauphins für Friedensschluss unter den streitenden Fürsten:
Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 722; Christine de Pisan, Livre de la paix, S. 60 (1,2). Zum Lob
Karls V. für Frieden am Ende seiner Herrschaft: Juvenal des Ursins, Histoire, S. 339. Vgl. zum
Ideal des Friedens Krynen, Ideal, S. 156-183.
s Siehe z. B. bei Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 95f. Auch der französische Adel kritisiert um
1404 den französischen König, weil dieser mehr Wert darauf lege, den Frieden zu wahren, als
die englischen Plünderungen zu rächen: Chronique du Religieux, Bd. 3, S. 160.
9 Andre porcion de gens of ie prince resseruee, ies^ned d esfadd ponr in Compagnie, gnrde ei de(/ense de
son corps, dn wenn penpie, dn ciergie, des/emw^s, des indonrenrs ei de son pnis, ei cenix ne/idss^ni
andre mesiier/ors ions/onrs esire esueiiies ei presiz a in diiie de(/ense, ei ne deuoieni espargnier ienrs
corps ponr perd de mori cordre ions nnnemis. Christine de Pisan, Livre des fais, Bd. 1, S. 114 (11,2).
10 Ebd.
11 Li ieiie sndgeciion doii esire en ions /es esins, car pins doiueni esire /es geniiiz dommes odeissnns t?ne /es
andres, ponr donner exempie. Ebd., Bd. 2, S. 31 (111,9).
12 Zum Ideal des Kriegerkönigs siehe Scharf, Reden, S. 71-76; Kantorowicz, Zwei Körper, S. 271.
io Christine de Pisan, Livre des fais, Bd. 1, S. 120-122 (11,5).
M Ebd., Bd. 1, S. 116-118 (11,3).
 
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