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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0102

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31 Obrigkeitlich-zentralisierend

101

derartiger Verbote auch durch den großen Einfluss der Herzoge auf den Kö-
nig zu erklären: Sie hatten keinerlei Interesse daran, ihre eigenen Hand-
lungsmöglichkeiten einzuschränken. Ein umfangreiches Verbot der privaten
Kriegführung brachte schließlich die Ermordung Ludwigs von Orleans im
Jahr 1407.65
Die weiteren, auf den Mord folgenden Regelungen sind dagegen auf einer
anderen Ebene zu verorten: Das Misstrauen der Fürsten untereinander sowie
der Kampf um die Herrschaft in Paris (und damit über den König) führten
dazu, dass immer mehr Heere aufgestellt wurden. Die Last der Finanzierung
und Versorgung trug die Bevölkerung. Da diese Konflikte meist durch die
Berufung (zumindest einer Seite) auf die königliche Autorität geführt wur-
den, konnte das Argument der Privatkriege ohnehin nicht greifen. Stattdessen
wurden im Namen Karls VI. wiederholt alle Truppenaushebungen bezie-
hungsweise jede Versammlung von Soldaten an seine ausdrückliche Autori-
sierung gebunden.66 Angesichts unkontrollierbar gewordener Plünderungen
stand weniger die weitere Stärkung der königlichen Zentralgewalt in Frage,
als vielmehr die grundsätzliche obrigkeitliche Gestaltungskraft^? Mit Blick
auf ein mögliches Gewaltmonopol hebt Kaiser die Bedeutung der Ordonnanz
von 1413 (die sogenannte Ordonnance ca&oc/nenne6s) hervor. Sie umfasste u.a.
ein Versammlungsverbot für alle Krieger (§250), Regelungen zur Bezahlung,
Registrierung und Disziplinierung der Truppen (§250-251), ein generelles
Plünderungsverbot (§254) sowie ein Verbot aller Privatkriege (§255). Die Or-
donnanz fügt sich allerdings nicht bruchlos in der Tradition der königlichen
Gesetzgebung ein, sondern nimmt eine Sonderrolle ein. Sie entstand während
eines Aufstands unter massivem Druck der städtischen Bevölkerung und
kann daher nicht unkritisch dem königlichen Willen zugeschrieben werden -
im Gegenteil, sie wurde noch im selben Jahr vom König widerrufen. Ihre

65 Ordonnances, Bd. 9, S. 370f. (Karl VI., 1408).
66 Ebd., Bd. 9, S. 515-517 (Karl VI., 1410), 531-534 (Karl VI., 1410), 573-575 (Karl VI., 1411); Bd. 10,
S. 146f. (Karl VI., 1413), 159f. (Karl VI., 1413).
67 Ebd., Bd. 1, S. 608f. (Ludwig X., 1315), Bd. 5, S. 659 (Karl V., 1374); Bd. 9, S. 369-371 (Karl VI.,
1408); Bd. 13, S. 307 (Karl VII., 1439), 509 (Karl VII., 1447); Bd. 17, S. 294-296 (Ludwig XI., 1470).
Dies betraf auch das Recht der pn'sc, d.h. den kostenlosen oder bezahlten Zugriff des jeweiligen
Herrn auf die Versorgungsgüter in seinem Herrschaftsbereich. Das Recht der pn'sc wurde wie-
derholt für bestimmte Regionen und bstimmte Zeiträume aufgehoben: Ebd., Bd. 2, S. 436f. (Jo-
hann II., 1351), 598 (Johann II., 1350); Bd. 3, S. 27f. (Johann II., 1355), 646 (Johann II., 1363);
Bd. 4, S. 176f. (Johann II., 1356), 316f., (Johann II., 1355), 326-333 (Johann II., 1355), 461-463
(Karl V., 1364); Bd. 5, S. 33 (Karl V., 1367), 289-291 (Karl. V., 1370); Bd. 6, S. 635f. (Karl V., 1364),
108f., (Karl V., 1375), 176-178 (Karl V., 1364), 224-226 (Karl V., 1376), 555f. (Karl VI., 1381), 667
(Karl VI., 1382); Bd. 7, S. 95f. (Karl VI.,1384), 106 (Karl VI., 1385), 124f. (Karl VI., 1385), 375f.
(Karl VI., 1390), 528-530 (Karl VI., 1393); Bd. 8, S. 317f. (Karl VI., 1399), 321-323 (Karl VI., 1399),
406f. (Karl VI., 1400), 429f. (Karl VI., 1400), 497 (Karl VI., 1402), 510 (Karl VI., 1402); Bd. 9, S. 47f.
(Karl VI., 1405), 49f. (Karl VI., 1405), 51f. (Karl VI., 1405), 58f. (Karl VI., 1405), 113f. (Karl VI.,
1406), 121f. (Karl VI., 1406), 163f. (Karl VI., 1406), 168f. (Karl VI., 1406), 250f. (Karl VI., 1407);
Bd. 10, S. 21f. (Karl VI., 1412); Bd. 11, S. 157 (Heinrich V., 1422); Bd. 13, S. 149f. (Karl VI., 1430).
66 Ebd., Bd. 10, 70-141, hier 136-138 (Karl VI., 1413). Siehe dazu auch Schnerb, Armagnacs,
S. 178-182; Kaiser, Selbsthilfe, S. 69-72; Coville, Les cabochiens; S. 288-293, Edition der Ordon-
nanz: ebd., S. 419-429. Die Bezeichnung als ordoMMHMCC odwdn'cMMC ist insofern irreführend, da
sie von den Gdwdn'cMS als ungenügend zurückgewiesen wurde; Schnerb, Armagnacs, S. 180.
 
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