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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0125

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124

1111 Voraussetzungen

wurde so zur göttlichen Strafe erhoben. Für die Guten und Gerechten aber,
die durch den Krieg (zu Unrecht) geschädigt würden, hielt Bouvet Trost be-
reit: Ihr Leiden reinige sie schon in dieser Welt von ihren kleineren Sünden.^
Das Elend der Welt wurde bei Bouvet zum vorgezogenen, irdischen Fege-
feuer.
Philippe de Commynes bot eine andere Erklärung, indem er die Ansätze
Bouvets und Christines umdrehte und den Menschen in den Mittelpunkt
rückte. Dieser neige per se zum Schlechten und könne davon weder durch
natürliche Vernunft, noch durch Verstand, Gottesfurcht oder Nächstenliebe
abgehalten werden.^ Dies sei bei den ,kleinen Leuten' kein Problem, da über
ihnen die Herrschaft stehe und Recht spreche.^ Wer aber richtete die Fürsten?
Zwangsweise müsse hier Gott einschreiten, Zeichen offenbaren und den Men-
schen wegen seiner Schlechtigkeit strafen, denn „die Bestialität und Unwis-
senheit der Fürsten ist sehr gefährlich und zu fürchten, weil von ihnen Ge-
deih und Verderb der Herrschaftsgebiete abhängt.Um die irdische Ord-
nung im Gleichgewicht zu halten, habe Gott jedem Wesen auf Erden seinen
Widerpart gegeben, damit kein Fürst und keine Macht zu stark werden kön-
ne.^ Der Krieg war für Commynes notwendig und von Gott eingesetzt, um
das ,Gleichgewicht der Mächte' zu sichern.
Auch Aufstände und politische Morde wurden reflektiert und diskutiert,
jedoch nicht unter dem übergreifenden Aspekt der Gewalt, sondern, wie der
Krieg, als eigenständige Phänomene.^ Jean Juvenal des Ursins etwa fragte
nach den Ursachen der um sich greifenden Unzufriedenheit in der Bevölke-
rung, die ihm primär als krankhafter Wahn, Träumerei und Fieber erschien -
und damit als Gefahr für die öffentliche Ordnung.^ Kontroverser wurde da-
gegen die Legitimität politischer Morde diskutiert, die entweder als Majes-
tätsverbrechen verdammt oder als Tyrannenmorde gefeiert wurden.^ Dass
der Blick der Intellektuellen auf ihre Zeit breiter angelegt scheint als derjenige
anderer Gruppen, ist allerdings auch durch ihren Charakter als schreibende

13 E/ de /eMrs pe/is pecd/ez d pdds/ d Mo/re SeigMeMr ipi'ds eM por/eM/ pendele eM ces/Mi moMde Hj/M ipie eM
/diM/re ds M'nieM/ ipie pMrg/er HM Je?' d'ep/er ne eM pMrgHfod'e. Bonet, Arbre, S. 150 (IV,54).
14 DoM/JHM// coMc/Mre ipie /n rn/soM MH/Mrede, Mi/ Mos/re seMS, Mi/ /n ern/Me/e de D/eM, Mi/ /'HMioMr de Mos/re
proedn/M ne MOMS gnrde po/M/ d'es/re u/o/HMS /es MMgs coM/re /es HM//res. Philippe de Commynes, Me-
moires, Bd. 1, S. 404 (V,18).
i3 Des jb/d/es ipd OM/ d/u/s/oM, je M'eM pnr/e po/M/, enr dz OM/ SMpper/eMr i/M/ HM/cMMes jb/z jn/e/ rn/soM HMX
pnr/ies. Ebd., Bd. 1, S. 405 (V,18).
13 A/Ms/ doMei/Mes es/ urHi/semd/Hd/e i/Me D/eM es/ presse ejjbree OM sewoMS de moMs/rer p/Ms/eMrs s/gMes e/
de MOMS dn/re de p/Ms/eMrs uerges poMr Mos/re des//n///e e/ poMr Mos/re MiHMUH///e, i/Me je eroi/ mi/eM/x.
Mn/s /n des//n///e des pr/Mees e/ /eMr /gMorHMee es/ /den dHMgereMse e/ H ern/Mdre, rar d'eM/x depeM/ /e
d/eM e/ /e me/ de /eors se/gMeMr/es. Ebd., Bd. 1, S. 405 (V,18). Siehe auch ebd., S. 414f. (V,19).
i^ AM jbr/, d me semd/e i/Me D/eM M'n eree MM//e edose eM ee moMde, Mi/ downies Mi/ des/es, H i/M/ // MdZ/jd/e/
i/Me/ipie edose soM eoM/rn/re, poMr /e /eM/r eM dMMid//e e/ eM ern/Me/e. Ebd., Bd. 1, S. 400 (V,18).
i3 Inhaltlich werden diese Diskurse in den Kapiteln IV.2.1 und IV.3.3 näher ausgeführt.
19 AM regnr/ de di niH/nd/e de /nA^^s/e e/ reuer/e e///eure eoM//MMe//e eM /iM/Me//e es/ /e peMp/e... Juvenal
des Ursins, Ecrits, Bd. 2, S. 440, auch 443 (Lu de/iderncioM); vgl. Oschema, Öffentlichkeit, S. 73.
Christine de Pisan warnt das unruhige Volk, sich nicht gegen die göttliche Ordnung zu erhe-
ben, Christine de Pisan, Livre de la paix, S. 128 (111,10).
20 Vgl. dazu Kap. IV.3.3, S. 293-309.
 
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